Auf dem Treffen des Bundesverbandes der Regionalbewegung  Anfang Juni in Hamburg mit vielen spannenden Vorträgen wurde mir deutlich, dass die ‚Bios‘ und die ‚Regionalen‘ ähnliche Themen zu beackern haben und auch eine gute Partnerschaft pflegen sollten. Warum ich das meine, erkläre ich Ihnen gerne:

Haben Sie sich auch schon einmal die Frage gestellt, ob Sie nun lieber die deutschen Bio-Möhren oder die konventionellen Möhren kaufen sollen, die aus der Region kommen. Oder noch extremer: Kaufen Sie lieber die regionalen konventionellen Kartoffeln oder die Bio-Kartoffeln aus Ägypten? Ob wir da alle zu einer einheitlichen Meinung kommen, möchte ich bezweifeln.

Wenn für Sie ‚Bio‘ eine reine Anbauform ist, die die Vorgaben der EG-Öko-Verordnung einhält und nicht mit Spritzmitteln belastet und Ihrer Meinung nach gesünder ist, dann fällt die Entscheidung leicht. Wenn für Sie ‚Bio‘ aber mehr ist, wenn für Sie auch soziale und ökologische Aspekte, die die EG-Öko-VO nicht abdeckt, wichtig sind, wird es schon schwieriger. Denn was ist mit den langen Transportwegen, die bei der Ökobilanz negativ zu Buche schlagen? Was wissen Sie über die Sozialstandards für Landarbeitern in Ägypten? Dann doch lieber konventionell aber von hier?

Bio muss mehr sein als eine Anbauform!

Der BioFairVerein möchte mit seiner Kampagne „Bio&faire Wertschöpfungsketten in Regionen“ deutlich machen, wie viel ‚Bio‘ in Regionen und für Regionen Positives bewirken kann – wenn ‚Bio‘ mehr ist als eine reine Anbauform. Auch soziale und ökologische Kriterien müssen dazu gehören und das beinhaltet einen fairen Umgang innerhalb der Wertschöpfungskette. In den Anfängen der Biobewegung wurde Bio so umfassend verstanden, heute ist es nicht mehr unbedingt der Fall. Es macht das Schlagwort ‚Bio in der Konventionalisierungsfalle‘ die Runde. Immer größere Betriebe und Tiereinheiten, immer größerer Preisdruck und Bio-Konkurrenz aus dem Ausland sind nur ein paar dazugehörige Schlagworte. Da wollen oder können einige Biobetriebe nicht mehr mithalten, auch die Bio-Fläche stagniert oder steigt nur leicht an.

Eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft ist wichtig!

Wenn wir Nachhaltigkeit wirklich ernst nehmen, müssen wir ökologische, soziale und ökonomische Aspekte zusammen denken. Wir brauchen nach meiner Meinung eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft, um zu einer wirklich nachhaltigen, für Mensch, Tier und Umwelt verträglichen Lebensmittelerzeugung zu kommen. Und dafür brauchen wir die bäuerlichen Betriebe, die zurzeit verstärkt durch die enormen Dumpingpreise bei konventionellen Lebensmitteln, vor allen Dingen bei Milch – wegbrechen. Wäre da die Regionalbewegung nicht ein idealer Bündnispartner, um solchen Entwicklungen entgegenzusteuern? Denn genau diese bäuerlichen Betriebe hat auch der Bundesverband der Regionalbewegung im Fokus und setzt sich für ihren Erhalt und ihre weitere Ökologisierung ein.
Für glaubwürdige Regionalität hat die Regionalbewegung fünf Mindeststandards definiert: Rohstoffe aus der Region, Verarbeitung in der Region, Vermarktung in der Region, ‚Ohne Gentechnik‘ und regionale Futtermittel, so die aktuelle Pressemitteilung.

Regional muss mehr sein als eine Herkunftsangabe!

Ich finde, das reicht nicht! Denn wenn die Regionalbewegung regionale Lebensmittel schwerpunktmäßig mit ‚klimaschonend durch kurze Transportwege‘ begründet, habe ich Bedenken, dass sie sich damit in eine Sackgasse begibt. Wie intensiv und seit wie vielen Jahren wird über die richtige Definition von „Regional“ diskutiert? Dabei geht es fast immer um Entfernungen, um die Eingrenzung eines Gebietes. Aber haben regionale Erdbeeren aus dem Nachbardorf wirklich eine besondere Qualität, wenn sie unter Einsatz von chemischen Behandlungs- und Düngemitteln erzeugt wurden und wenn die saisonalen Erntehelfer in fragwürdigen Unterkünften hausen, für die sie auch noch viel zahlen müssen?
Prof. Theo Gottwald hatte in seinem Einführungsvortrag „Regionalbewegung – wohin geht es“ eindringlich dafür plädiert, „Regional als soziale Bewegung“ zu definieren und wegzukommen, von den reinen Entfernungsangaben. Ich kann ihm da nur voll zustimmen.
Denn so wie Bio mehr als eine Anbauform sein muss, muss Regional mehr als Herkunft sein – dann klappt es auch mit der Partnerschaft!