Der Biofachhandel steht an einem Scheideweg. Wir haben Jörg Reuter, den Geschäftsführer der GrüneKöpfe-Strategieberatung in Berlin nach seinen Einschätzungen gefragt und wollten wissen, was er den Bio-Herstellern empfiehlt.

FairBio: Der Biofachhandel befindet sich im Umbruch. Wie beurteilen Sie die aktuelle Stimmung an der Basis?

Die beiden vergangenen Quartale deuten ja zusammen mit dem ganzen Jahr 2016 einen Abwärtstrend an.  Kleine Läden tun sich immer schwerer damit, tragfähige Ansätze zu finden, um ihre Läden wirtschaftlich zu betreiben. Hinzu kommt der anstehende Generationswechsel, der ja nicht nur viele Pionierhersteller betrifft, sondern auch viele inhabergeführten Läden. Die aktuelle Lage ist also nicht einfach.

FairBio: Seit Jahren diskutiert die Branche über Werte und  Rückbesinnung. Welche Botschaften dringen bis zum Kunden vor?

Wir erkennen bislang eher eine Professionalisierung auf der Unternehmensebene und weniger eine Rückbesinnung auf Werte. Eine Wertediskussion auf Branchenebene zu führen, halte ich auch für wenig zielführend. Werte sollte jedes Unternehmen für sich selbst definieren, dann sind sie auch für die Kunden viel einfacher und authentischer  zu verstehen.

Es spricht sicher nichts dagegen, zusätzlich einige Eckpunkte für die Branche herauszuarbeiten. Doch ein gewisser Wertepluralismus kann ja auch sehr inspirierend sein. Das eine Unternehmen brennt total für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, einem anderen ist ein minimaler ökologischer Fußabdruck seines gesamten Unternehmens wichtig und dem dritten eine wunderbare Gemeinwohlbilanz. Lieber für wenige Werte wirklich brennen, als von allem ein bisschen zu machen.

FairBio: Entscheiden die Konsumenten beim Griff nach Bio allein nach der Produktqualität oder suchen sie noch nach einem „gutes Gefühl“?

Es geht meistens um beides. Der Nutzen auf funktionaler Ebene dreht sich um das Thema Natürlichkeit/Gesundheit, auf der emotionalen Schiene eher um die Unterstützung der „besseren Landwirtschaft“.  Doch gerade in der emotionalen Ansprache ist es der Branche bis heute nicht gelungen, mit Ausnahme der Tierhaltung, die biologische Landwirtschaft wirklich zu emotionalisieren.

FairBio: Wie kann das Gesamtkonzept Bio aus Ihrer Sicht wieder zu einer Herzensangelegenheit einer Branche werden?

Wenn man aufhört, ein Gesamtkonzept Bio zu suchen. Wir glauben nicht an DIE Biobranche, sondern an einzelne Unternehmen oder an Wertegemeinschaften von Unternehmen. Wir sehen einen zentralen Differenzierungsfaktor für Bio-Marken: Herzblut. Nur damit kann man Bio aus unserer Sicht langfristig erfolgreich verkaufen.