Der Göttinger Agrarökonom Prof. Achim Spiller, Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft, fordert mehr Durchblick im Dschungel der Klima-Label. FairBio hat ihn nach dem aktuellen Stand in Sachen Klimalabel gefragt.

FairBio: Warum wird aktuell über ein Klimalabel diskutiert?

Prof. Achim Spiller: Etwa ein Fünftel der Klimabelastung eines Bürgers in Deutschland wird durch Lebensmittel verursacht. Eine klimafreundliche Lebensmittelwahl ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, doch eine realistische Einschätzung der Klimawirkung einzelner Lebensmittel ist für die Konsumenten*innen derzeit kaum möglich. Ein Klimalabel würde die Transparenz für klimabewusste Verbraucher*innen erhöhen und auch in der Lebensmittelwirtschaft für mehr Aufmerksamkeit in Bezug auf den Klimaschutz sorgen.

 FairBio: Wie reagieren Politik und Hersteller auf die aktuellen Forderungen nach einen Klimalabel?

Spiller: In Deutschland nimmt die Diskussion über ein Klimalabel an Fahrt auf. So beschäftigt sich aktuell der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Thema. In Großbritannien planen einige große Lebensmittelhersteller eine Treibhausgaskennzeichnung ihrer Marken. In Italien ist Barilla sehr aktiv. Auch auf EU-Ebene wird das Thema bedeutender. Bis 2024 soll im Rahmen der „Farm to fork“-Strategie ein Vorschlag für eine Kennzeichnung der Treibhausgasemissionen vorgelegt werden. Es kommt also insgesamt Bewegung in die Diskussion.

FairBio: Wie stehen die Verbraucher zum Thema klimafreundliche Ernährung?

Spiller: Aus Verbraucherstudien ist bekannt, dass die meisten Menschen mit dem Begriff Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2e) zunächst nicht viel anfangen können, da der Wert zu abstrakt ist. Die Verbraucher*innen haben keine Vorstellung von den Größenordnungen des Wertes und können die Zahlen daher nicht einordnen. Viele Konsument*innen haben zwar schon mal von den hohen Treibhausgasemissionen bei Fleisch gehört, aber nur wenige wissen, dass Käse auch nicht viel besser abschneidet als Fleisch. Mit einem besonders klimabewussten Essen kann man seinen Co2-Fußabdruck auf die Hälfte, also von zwei auf eine Tonne CO2-e reduzieren. Bei hohem Fleischkonsum, vielen Produkten, die mit dem Flugzeug importiert werden, viel Gemüse aus beheiztem Treibhaus etc. kann ein Mensch aber allein durch die Ernährung jedoch seinen klimatischen Fußabdruck auf drei Tonnen und mehr erhöhen.

FairBio: Es existieren bereits verschiedene Klimalabel im Markt. Kann sich der Verbraucher damit orientieren?

Spiller: Die derzeitige Vielfalt unterschiedlicher Konzepte mit teilweise gänzlich anderen Aussagen ist für die Verbraucher*innen nicht nachvollziehbar. So sagt ein Kompensationslabel nichts über die Klimafreundlichkeit des eigentlichen Lebensmittels aus. Ein produktgruppenbezogenes Label kann eine Marke als sehr positiv ausweisen, obwohl das Lebensmittel in Relation zu vergleichbaren Substituten sehr schlecht abschneidet. Die zeitgleiche Existenz der verschiedenen Labeltypen im Markt trägt daher aktuell eher zur Verwirrung der Verbraucher bei. Die Konzentration auf ein einheitliches Labelkonzept ist daher entscheidend für einen Wandel hin zu einer klimafreundlichen Ernährung. Hier wird es ein verbindliches staatliches Label benötigen, wie es der Wissenschaftliche Beirat des BMEL vor Kurzem in seinem Gutachten zur Nachhaltigeren Ernährung gefordert hat.

Weitere Infos:

Durchblick im Klimadschungel: Gestaltungsempfehlungen für ein Klimalabel auf Lebensmitteln

So könnte ein zukünftiges Klimalabel aussehen: