Bio boomt doch gerade – besonders jetzt in der Corona-Krise. Warum brauchen regionale Erzeuger, Verarbeiter und Händler trotzdem Unterstützung durch ein neue Genossenschaft? Hermann Heldberg, Gründer und Geschäftsführer des Biogroßhandels Naturkost Elkershausen, erläutert die Gründe der Initiative.
Hermann, warum hast Du die Gründung der Fair-Bio Genossenschaft angestoßen? Bio ist doch bereits auf Wachstumskurs.
Ja das stimmt, Bio boomt. Aber gleichzeitig – oder besser gesagt dadurch – verändert sich der Biomarkt gerade disruptiv. Als wir vor mehr als 40 Jahren die Firma Naturkost Elkershausen gründeten, steckte der Bioanbau in den Kinderschuhen. Kleine handwerkliche Betriebe begannen mit der Verarbeitung von Rohstoffen aus ökologischem Anbau. Diese regionalen Strukturen – vom Erzeuger über den Verarbeiter bis zum Laden – haben lange Jahre den Bio-Markt geprägt und tun es bis heute. Seit das Marktvolumen die Größenordnung von fünf Milliarden Euro überschritten hat, ist der konventionelle, konzerngeführte Lebensmitteleinzelhandel (LEH) groß in den Biomarkt eingestiegen. Heute stehen in den Regalen aller Lebensmittelmärkten Bio-Lebensmittel.
Was ist schlecht am Ziel “Bio für alle”- auch im Supermarkt?
Im Prinzip ist daran nichts schlecht. Wir wollen ja, dass viele Menschen Bio kaufen können. Und Biohersteller, die mehr produzieren, als die inhabergeführten Bioläden verkaufen können, müssen sich zusätzliche Absatzwege suchen. Aber im konzerngeführten LEH spielt der Preis die wesentliche Rolle: es „muss“ billig sein. Diese Preispolitik hat in der Vergangenheit zu einer Konzentration in allen Bereichen der Produktion geführt. Hier setzt die Genossenschaft an: sie will auch kleineren Strukturen in der ökologischen Wirtschaft erhalten und unterstützen, sei es durch Darlehen oder auch Beteiligungen, angefangen bei den Höfen über handwerkliche Verarbeitungsbetriebe bis hin zu den Händlern. Das Ziel unserer Genossenschaft ist die Erhaltung regionaler Strukturen in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung ökologisch erzeugter Lebensmittel.
Was unterscheidet die Fair-Bio Genossenschaft vom FairBio Verein?
Das Besondere bei unserer Genossenschaft ist, dass sie vor allem die Endverbraucher anspricht und einbindet. Wir wollen viele Menschen sensibilisieren, mit ihrem Engagement zur Erhaltung der bestehenden regionalen Strukturen beizutragen. Die Genossenschaft ist der Anfang einer starken Bewegung. Aus diesem Grund kostet ein Genossenschaftsanteil auch nur 100 Euro, sodass sich viele Verbraucher*innen das leisten können. Mit ihrem demokratischen Charakter ist die Form der Genossenschaft besonders gut geeignet für eine Solidargemeinschaft entlang der Bio-Wertschöpfungskette. Egal, wie viele Anteile ein Mitglied erwirbt, jeder hat nur eine Stimme.
Wer steht hinter der Genossenschafts-Idee?
Gemeinsam mit mir haben sieben weiteren Öko-Landwirte, Naturkosthersteller und -händler die Genossenschaft ins Leben gerufen, um unsere regionalen und dezentralen Marktpartner zu stärken. Ab etwa Oktober können Genossenschaftsanteile ofiziell gezeichnet werden. Wir sind fest davon überzeugt, dass gerade in der heutigen Zeit viele Bürgerinnen und Bürger ein großes Interesse daran haben, regionale Prozesse nicht nur zu erhalten, sondern auch aktiv voranzubringen. Damit wir nicht nur mit dem Etikett „Bio“ in die Zukunft gehen, sondern wirklich mit fairen Erzeugerpreisen, Nachhaltigkeit, biologischer Vielfalt, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz. In der Biobranche ging es nie ausschließlich um den Ökolandbau, sondern immer auch um ein vertrauensvolles und wertschätzendes Miteinander, um Fairness an jeder Stelle der Wertschöpfungskette und um ein anderes Wirtschaften als das ausschließlich preisgetriebene.
FairBio Verein und Fair-Bio Genossenschaft im Vergleich