Green Deal, Farm to Fork, GAP – an Schlagworten mangelt es nicht in der Politik. Auf dem Agrarkongress des Bundesumweltministeriums wurde Tacheles zur praktischen Umsetzung geredet: Politiker und Wissenschaftler fanden klare Worte für den Status quo.

Die EU stellt Deutschland für die kommenden Jahre jährlich mehr als sechs Milliarden Euro zur Umsetzung der EU-Agrarpolitik bereit. Wie dieses Geld zukünftig ausgegeben wird, muss Deutschland bis zum Jahresende in einem nationalen Strategieplan regeln und diesen dann im Jahr 2022 der EU-Kommission vorgelegen. Ab 1.Januar 2023 treten die neuen Regeln dann in Kraft. „Die bislang vorgesehene Verteilung von EU-Agrargeldern sowie zugrunde gelegten Standards und Maßnahmen werden keinesfalls ausreichen, um den anhaltenden Verlust von Arten- und Lebensraumvielfalt in unserer Agrarlandschaft zu stoppen“, kritisierte Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), auf dem digitalen Agrarkongress.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte, einen größeren Anteil der EU-Agrarsubventionen als von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner geplant für den Naturschutz auszugeben. Kern des Vorschlags des Umweltministeriums zur nationalen Umsetzung der neuen Regeln aus Brüssel sind zehn „Öko-Regelungen“, für die zunächst 30 Prozent der europäischen Direktzahlungen an Landwirte genutzt werden sollen.  „Viele Landwirtinnen und Landwirte sind schon sehr aktiv dabei, die Artenvielfalt zu bewahren, Gewässer sauber zu halten und das Klima zu schützen. Aber das System funktioniert insgesamt nicht gut genug“, erklärte Umweltministerin Svenja Schulze. Aus ihrer Sicht muss der nationale Strategieplan klare Regeln für die Honorierung gesellschaftlicher Leistungen und Umweltleistungen der Landwirtschaft schaffen. „Aus dem Landwirtschaftsministerium hören wir derzeit jedoch nur Fragen und sonst nichts“, sagte Schulze und stellt daher eigene Vorschläge vor:

# Mit dem neuen GAP-Strategieplan müssen gesellschaftliche Leistungen der LW endlich honoriert werden.

# Die neuen Ökoregelungen müssen gesamtbetriebliche Veränderungen sein und nicht nur Anpassungen auf einzelnen Flächen. Zehn Prozent der Flächen sollen dem Erhalt der Artenvielfalt dienen.

# Auch die LW muss zur Klimaneutralität im Jahr 2050 beitragen. Direktzahlungen müssen daher an grundlegende Klimaschutzauflagen gekoppelt werden. Daneben muss es zusätzliche Mittel für freiwillige Maßnahmen geben.

# Bienen sind systemrelevant. Unser Aktionsprogramm ist daher umzusetzen, statt bei jeder Gelegenheit Ausflüchte zu suchen.

„Der aktuelle Zustand schützenswerte Lebensräume in der Agrarlandschaft ist ungünstig. Bei 70 Prozent der Arten in Deutschland sind in den letzten 60 Jahren deutliche Rückgänge zu verzeichnen. Die gemeinsame europäische Agrarpolitik ist ein wichtiger Schlüssel, um dies zu ändern“, so BfN-Präsidentin Jessel. Das derzeitige Konzept Landwirtschaft sei insgesamt nicht nachhaltig. Viele Landwirte erhielten für ihre harte Arbeit weder auskömmliche noch faire Preise. Jessel fordert daher, dass der Grundsatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ so umgesetzt wird, dass Landnutzerinnen auch in der öffentlichen Wahrnehmung von „Subventionsempfängern zu öffentlichen Leistungsträgern werden.“

Der Kardinalfehler liegt aus Sicht von Martin Häusling, MdEP und Agrarpolitscher Sprechers der Grünen Fraktion, bei der EU-Kommission. Sie habe es versäumt, beim Green Deal dann auch die Vorschläge zu GAP entsprechend anzupassen.  „70 Prozent der Agrarsubventionen sind bislang weiterhin als Flächenzahlungen geplant. Damit fließt das meiste Geld weiterhin in die falsche Richtung. Solange sich die Politik weiterhin am Exportmodell orientiert, werden wir keinen Systemwechsel hinbekommen“, so Häusling

Einen Ausweg sieht Maria Noichl, Mitglied der SPD-Fraktion im EU-Parlament in einer stärkeren regionalen Ausrichtung. „Regionalisierung ist genau die Veränderung, die wir brauchen – vor allem in den Köpfen. Wir können keine Futterflächen irgendwo in der Welt auslagern, wir müssen mit unsere Fläche auskommen.“ Das Ziel müsse die Eigenversorgung der Menschen in Europa sein. Man müsse weg von der Idee größer, weiter – hin zu näher ist besser.

„Wir dürfen nicht nur über das Ziel 25 Prozent Ökolandwirtschaft reden. Wir müssen gleichzeitig auch sehen, dass dafür regionalen Verarbeiter vorhanden sein müssen“, sagt Martin Häusling. „Wir müssen Bäcker und Metzger fördern, die beim Bauern aus der Region einkaufen und so die Kreisläufe wieder schließen.

 

Green Deal: Der European Green Deal hat das Ziel bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Für die Landwirtschaft wurde.

GAP: Die Gemeinsame Agrarpolitik definiert Regeln für die Landwirtschaft in den Ländern der Europäischen Union. Mit rund 40 Prozent des Gesamtbudgets der EU stellt die GAP den zweitgrößten Haushaltsposten der Gemeinschaft dar.

Farm to Fork: Der Ökolandbau soll in den EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 auf 25 Prozent ausgeweitet und der Pestizid- und Antibiotikaeinsatz halbiert werden.