Deutschland kann auch anders. Auf dem Agrarkongress in Berlin zeigten Politik und Wissenschaft einen Schulterschluss.  Die Anreizsysteme  für die Landwirtschaft sollen neu ausgerichtet werden, um das Naturvermögen zu sichern .

Einen gemeinsamen Kurswechsel kündigten  Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf dem Agrarkongress des Umweltministeriums. Zukünftig soll eine Honorierung nachhaltiger Leistungen die Direktzahlungen für die Landwirtschaft ersetzen. Für eine wirksame Reform der Agrarpolitik müsse die Verteilung der Fördergelder neu geregelt und die Leistungen der Landwirtschaft für den Natur- und Umweltschutz gezielter gefördert werden. Zur  Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik ab 2027 will die Bundesregierung ein Konzept vorlegen, wie die Direktzahlungen durch die Honorierung von Klima- und Umweltleistungen angemessen ersetzt werden können.

Ein besonderes Augenmerk legte die Umweltministerin dabei auf den Bodenschutz. Im Rahmen der Klimavorsorge will Lemke die Böden vor Verdichtung, Erosion, Humusverlust stärker schützen. Dafür prüft sie derzeit auch Änderungen am deutschen Bodenschutzrecht. „Wenn wir nichts tun, gefährden wir langfristig die Welternährung und die landwirtschaftliche Grundlagen“, erklärte Lemke.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke wollen die Förderprogramme für die Landwirtschaft gemeinsam neu justieren.

Transformationsforscherin Maja Göpel erläuterte auf der Konferenz, welche Änderungen für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem notwendig sind. „Bis zu 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hängen direkt vom dem abhängt, was wir als Naturvermögen mit Boden, Luft und Wasser als Gesellschaft geerbt haben. In den meisten Bilanzierungen kommen diese Ökosystemleistungen jedoch viel zu wenig vor“, konstatierte Göpel. Die Politökonomin kritisierte die veraltete Berechnungsmethoden. „Wir freuen uns über ein BIP, das jedoch primäre Totmittel anzeigt: wie die Zahl der produzierten Autos oder die Preissteigerung von Immobilien.  Diese Berechnungsmethode wird zukünftig korrigiert werden“, erklärte die Wissenschaftlerin. Die Wirtschaftsberichte würden zukünftig von Wohlstandsberichten abgelöst.

Prof. Dr. Maja Göpel arbeitet seit 25 Jahren als Nachhaltigkeitswissenschaftlerin, ist Mitglied im Club of Rome, dem World Future Council  sowie Mit-Initiatorin der Initiative Scientists for Future.   Fotos: BMUV/ Sascha Hilgers

„Wenn man in der Gestaltung unseres Lebensraumes die Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen mitdenkt, kann der Ertrag dessen ganz anders bilanziert werden“, argumentierte Göpel. Beispielsweise müssten die Bodenwerte viel stärker mit Wasserspeicherkapazitäten oder dem Erhalt von Biodiversität rückgekoppelt werden. Die Gesellschaft dürfe das Naturvermögen nicht länger erodieren.

„Wir müssen die Anreizsysteme neu ausrichten, die Wertschöpfung bewerten, wertschätzen, aber auch entsprechend fairgüten“, forderte Göpel und verwies auf die Vorreiterfunktion der Regionalwert-Gruppe in der Berechnung nachhaltiger Leistungen. Mit deren Rechenmethode, können landwirtschaftliche Unternehmen ihre Klima- und Umweltleistungen erfassen und deren Geldwert in einer grünen Bilanz entsprechend ausweisen.

„Die drei Säulen der Nachhaltigkeit getrennt nach Soziales, Ökologie und Ökonomie zu betrachten, ist ein Bild des 20. Jahrhunderts sind, das nicht mehr in 21. Jahrhundert passt“, so Göpel. Statt mit technischer Innovation in der Landwirtschaft etwas weniger Pestizide einzusetzen, sollte das übergeordnete Ziel aus Ihrer Sicht darin bestehen, resiliente Wertschöpfungsketten aufzubauen und dafür neue Märkte zu schaffen. „Wir müssen den sozialen Aspekt in den Innovationsbegriff miteinbeziehen und damit ein neues Konzept der Wertschöpfung und Vermögensbildung für Deutschland gut auf den Punkt bringen“, forderte Göpel.

Hier geht es zum FairBio-Interview mit Christian Hiß