In der Lebensmittelkette wächst der Wunsch nach mehr Fairness. Damit zukünftig Verstöße gegen die gute Handelspraxis aufgeklärt werden können, arbeitet die EU-Kommission an europaweiten Mindeststandards. Mit dem Einzug von Verbandslabeln in den LEH sehen auch die deutschen Bioverbände Bedarf für neue Fairplay-Regeln. FairBio gibt einen Überblick.

Die Liste der unlauteren Geschäftspraktiken in der Lebensmittelbranche ist ziemlich lang: verspätete Zahlungen, kurzfristige Abbestellungen von Lieferungen, einseitige und rückwirkende Vertragsänderungen, Verweigerung schriftlicher Vertragsfestlegung, Fordern von Zahlungen oder Leistungen ohne entsprechende Gegenleistung  – um nur einige zu aufzulisten. Um Landwirte und Lebensmittelhersteller vor der Übermacht der großen Supermarktketten zu schützen, wird derzeit in Brüssel unter österreichischem EU-Ratsvorsitz intensiv an einer europaweiten Richtlinie gegen unlautere Methoden gearbeitet. „Der Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken hat für mich höchste Priorität. Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Stellung der Bäuerinnen und Bauern in der Lebensmittelwertschöpfungskette zu stärken. Denn nur mit fairen Preisen können wir die wirtschaftliche Situation unserer bäuerlichen Familienbetriebe in Zukunft stärken“, betont die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.

Österreich hat bereits Ende November einen eigenen Fairnesskatalog vorgestellt, der von der Bundeswettbewerbsbehörde gemeinsam mit beteiligten Akteuren erarbeitet wurde. „Mit unserem Fairnesskatalog sind wir Vorreiter in Europa und optimal auf die Umsetzung der geplanten EU-Richtlinie vorbereitet“, so Köstinger. Über eine Selbstverpflichtungserklärung hat sich der österreichische Lebensmittelhandel freiwillig zur Einhaltung des Fairnesskataloges bekannt. „Wir sehen die Selbstverpflichtung als richtiges Signal, das auch unserem Anspruch entspricht: Wir verhandeln hart aber fair. Gleichzeitig pflegen wir einen wertschätzenden und vertrauensvollen Umgang mit unseren Geschäftspartnern. Ziel ist ein langfristiges Auskommen von allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette”, erklärt Christian Schug, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Lidl Österreich.

Vergleichbare Vereinbarung gibt es bereits in 22 EU-Ländern, allerdings nicht in Deutschland, teilt die Lebensmittel Zeitung mit. Hier existiert lediglich eine Dialogplattform mit einer Schlichtungsstelle, die in Fällen von unfairen Handelspraktiken vermitteln soll. Nach LZ-Informationen ist jedoch in den drei Jahren ihrer Existenz noch kein Fall verhandelt worden. Offensichtlich traut sich kein Lieferant, den Schlichter in Anspruch zu nehmen.

Auf den Öko-Marketingtagen in Kirchberg diskutierte die Branche über die Notwendigkeit eines Regelwerkes zur Zusammenarbeit zwischen Biolandwirten, Bioherstellern und deren Abnehmern aus Handelsseite. Mit der neuen Partnerschaft von Bioland und der Lidl-Eigenmarke sowie dem Vorstoß von Demeter bei Kaufland sehen die beiden Verbandschefs hier offensichtlich Optimierungsbedarf. Bioland-Chef Jan Plagge verwies in diesem Zusammenhang auf eigene Fair-Play-Regeln, die mit Lidl vertraglich festgelegt wurden. Nach FairBio-Informationen wurde die Handelsseite dort dazu verpflichtet 13 unfaire Handelspraktiken zu unterlassen, außerdem soll eine Ombudsstelle bei Streitigkeiten schlichten.

Mit einer eigenen Zertifizierung für einen fairen Umgang in der Lieferkette hat sich der FairBio Verein aufgestellt. Ob die Vertragsverhandlungen zwischen einem Erzeuger und einem Hersteller oder Händler fair sind, können letztlich nur die Beteiligten selbst einschätzen. Daher haben die Partnerlieferanten von zertifizierten Unternehmen während FairBio-Audits die Möglichkeit per Mail eine Stellungnahme beim Zertifizierer abzugeben. Weitere Infos zu den FairBio Richtlinien finden sich hier.

 

Informationen zum Fairnesskatalog in Österreich finden Sie hier im PDF.