Bio für alle – nutzt der Fachhandel sein Profilierungspotenzial? Die Lübecker Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft Landwege wächst auf alternativen Pfaden.

„Das Alleinstellungsmerkmal Bio hat der Fachhandel längst verloren“, bringt Tina Andres die Situation der Biobranche auf den Punkt. „Bio können Lebensmittelhändler wie Tegut an eine andere Käufergruppe genauso gut verkaufen wie wir.“  Die Geschäftsführerin der EVG Landwege erläuterte bei den Marktgesprächen des Bioverlages das Konzept „Bio aus nächster Nähe“. Seit mehr als 30 Jahren sichern rund 800 Genossen den Absatz von 30 Biohöfen im Raum Lübeck mit fünf eigenen Biomärkten. Ihr gemeinsames Ziel ist eine starke Verankerung regionaler Sortimente.

„Unser Weg geht über Werte nicht über Preise“, sagt Tina Andres. Sie fordert ihre Fachhandelskollegen auf, es nicht nur bei der qualitativen und inhaltlichen Profilierung zu belassen, sondern ihr Engagement auf den nächsten politischen Schritt weiter zutragen. „Die mittelständischen Biobetriebe arbeiten derzeit gegen ein System, das Masse statt Klasse honoriert“, konstatiert Andres. Die Biobranche brauche jedoch zwingend den Erhalt von mittelständischen Strukturen, die viel näher an dem vom Verbraucher gewünschten Ideal sind. So lange dies durch die Weitergabe der wahren Kosten nicht abgedeckt sei, kämpfe man gegen Windmühlen. „Wenn wir die Generation Greta für uns gewinnen wollen, brauchen wir nicht noch mehr Preiseinstiegsprodukte, sondern glaubwürdige und konkrete Anknüpfungspunkte an die drängenden Zukunftsfragen“, argumentiert Andres.

Die Lübecker Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft erwirtschaftet mit ihren „Hofläden in der Stadt“ mehr als 30 Prozent mit den Produkten der 30 Mitgliedsbetriebe. „Als Genossenschaft bieten wir den Konsumenten Teilhabe am System und nicht nur Egonutzen. Sie können erleben, was mit ihrer Geldanlage passiert“, erläutert Andres den Unterschied zu anderen Vertriebswegen. Derzeit investiert die EVG gezielt in eine Verdichtung ihrer Wertschöpfungskette nach innen: Die Genossen gründeten die Manufaktur „Landwege Bioküche“, übernahmen eine Lübecker Bio-Vollkorn-Bäckerei und bauten einen eigenen Lieferdienst auf. Geld fließt zudem in Bildungsprojekte. So schult der Landwege-Verein bis zu 10 000 Lübecker Schulkinder zum Thema ökologischer Landbau.

„Im Moment wird es dem Verbraucher erstmalig bewusst, welche Missstände das derzeitige System hervorbringt“, sagt Andres. „Die öffentliche Diskussion über Farm to Fork hebt unsere originären Inhalte zum ersten Mal auf eine europäische Plattform. Darin liegt jetzt eine große Chance, die wir nutzen müssen.“  Die Gastroszene leidet massiv unter der Pandemie – alles auf Abstand. Wie geht die Branche damit um, welche Konsequenzen hat Corona für die Speisekarten? Ökostrategieberater Jörg Reuter hat für den Gastrogroßhändler Transgourmet in der Praxis nachgefragt. Sind Regionalität und transparente Herkunft ein neuer Gegenpol oder ein überschätztes Phänomen?

 

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