Billige Lebensmittelpreise verschweigen die versteckten Kosten für Mensch und Umwelt. Für Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün, müssen die Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen.

FairBio: Sind faire Preise nur ein Thema für Produzenten in Entwicklungsländer?

Faire Preise sind definitiv auch hier bei uns ein Mega-Thema. Unser Mittel zum Leben sind durch die agrarindustrielle Entwicklung, durch Konzentration und Druck aus dem Einzelhandel insgesamt viel zu billig. Wie kann es denn sein, dass ein Liter Milch weniger kostet als ein Liter Wasser? Wie fair sind Handelsspannen? Welcher Anteil landet überhaupt noch bei der Bäuerin, beim Bauern? Nur mit ehrlichen Preisen ist ein faires Wirtschaften für nachhaltige Unternehmen möglich. Hier haben Projekte wie die Faire Milch der Upländer Bauernmolkerei angesetzt und transparent gemacht, was bei den Betrieben eigentlich ankommen muss, damit diese davon leben können. Doch das Problem liegt viel tiefer. Denn die Preisschilder lügen. Sie verschweigen die ökologische und die soziale Wahrheit.

FairBio: Warum fällt ist es so schwer, den Konsumenten „wahre Preise“ bei Lebensmitteln zu vermitteln?

Es fällt so schwer, weil die „dunkle Seite der Macht“ ein Interesse daran hat, dass die wahren Kosten nicht aufgedeckt werden. Die dunkle Seite, das sind die Agrarindustrielobby und die großen Lebensmittelkonzerne. Die dunkle Seite, das sind Baysanto & Co., die mit ihren Pestiziden, ihren chemisch-synthetischen Düngemitteln und ihrem Hybridsaatgut auch weiterhin die Märkte bestimmen wollen. Dabei ist der Markt derzeit so unfair: Die Biobanane ist beispielsweise im Laden teurer als die Pestizid-Banane, obwohl bei der Pestizid-Banane die Folgekosten für Mensch und Umwelt viel höher sind.

FairBio: Bei der Miete weiß jeder um die Nebenkosten, die wir noch zusätzlich zahlen. Welche „Nebenkosten“ verstecken sich im Foodsegment?

Es gibt noch keine fertigen Analysen über alle versteckten Nebenkosten für alle Lebensmittel-Branchen. Das sind Fragen, die die Wissenschaft ganz aktuell beschäftigen. Der höhere Umweltfußabdruck von Fleisch ist inzwischen allgemein anerkannt. Versteckte Nebenkosten finden wir auch beim Trinkwasser. Durch Massentierhaltung und Einsatz von zu viel Gülle auf den Feldern, erhöhen sich die Nitratwerte im Grundwasser. Das macht wiederum teurere Trinkwasseraufbereitung bei den Wasserwerken nötig. Eine Studie des Umweltbundesamtes hat für eine vierköpfige Familie Mehrkosten von 134 Euro pro Jahr errechnet.

FairBio: Die Zeche für das jetzige Preissystem zahlt die Allgemeinheit. Welche Lösungen werden derzeit diskutiert, um gerechte Preise für Lebensmittel zu erreichen?

Wir brauchen politische Lösungen. Wir brauchen Instrumente wie zum Beispiel eine realistische CO2-Bepreisung, eine Pestizidsteuer oder eine strengere Nitratverordnung. Aber auch: Öffentliches Geld im Rahmen der GAP nur für öffentliche Leistungen. Ein ganzes Set an politischen Forderungen hat die Initiative Nachhaltige Finanzreform erarbeitet. Die Debatte um eine Nachhaltige Mehrwertsteuer finde ich auch sehr spannend. Am Ende ist eine Differenzierung der Mehrwertsteuer ein hochkomplexes Unterfangen, aber das Nachdenken darüber hilft, endlich zu wahren Preisen zu kommen. Und bis dahin gilt weiter: Lasst uns Initiativen für faire Preise – hier und in den Ländern des globalen Südens – unterstützen und mit unserem Konsum der Politik schon einen Schritt voraus sein.

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