Kleine Bioläden kämpfen derzeit ums Überleben. FairBio hat Kristina Gruber vom Projektteam WERTSCHÄTZEN zu möglichen Alternativen befragt. Das Projekt der Justus-Liebig-Universität Gießen ermittelt Potenziale und Herausforderungen für die Gründung solidarischer Supermärkte.
Wie viele Lebensmittelkooperativen gibt es derzeit in Deutschland?
Kristina Gruber: Verschiedene Studien gehen derzeit von circa 200 bis 1.500 bestehenden Lebensmittelkooperativen in Deutschland aus. Neben Bestellkooperativen gibt es Kooperativen mit eigenem Warenlager oder Lebensmittelkooperativen mit Mitgliederladen. In unserem Projekt konzentrieren wir uns auf eine Form der letzten Variante, die wir „Kooperative Lebensmittelläden“ nennen. Die auf diesen Begriff zutreffenden vier Kooperativen SuperCoop Berlin, FoodHub München, Köllektiv in Köln und SuperCoop Bremen sind bisher im Projekt eingebunden.
SuperCoop Berlin Foto: Andrea Zoltanetzky Kristina Gruber, Projekt-Team WERTSCHÄTZEN
Was ist das Besondere an Kooperativen Lebensmittelläden?
Die Kooperativen verfügen über eine sichtbare Ladenfläche, sind in Großstädten angesiedelt und genossenschaftlich organisiert. Einkaufen können hier ausschließlich die Mitglieder, die zudem zur Mitarbeit verpflichtet sind. Die Warenbestellungen werden durch Angestellte verwaltet, wobei der Fokus auf fair gehandelten, bio- und regionalen Lebensmitteln liegt. Die Größe der Läden sowie Mitgliederzahlen variieren. So hat die SuperCoop Berlin mehr als 1.500 Mitglieder, der FoodHub München hat mehr als 1.700 Mitglieder, beide Konzepte sind seit 2021 am Start. Die SuperCoop Bremen und das Köllektiv Köln zählen aktuell zwischen 200 und 300 Mitglieder. Das Köllektiv wird in Kürze einen Laden eröffnen, Bremen hat derzeit noch kein Ladengeschäft.
In welcher Form sind Kooperativen mit anderen Akteuren wie SoLaWis, Regionalwert AGs, Ökomodell-Regionen vernetzt?
Die Kooperativen in Deutschland sind untereinander eng vernetzt. Die Netzwerkorganisation FoodCoopX hat Treffen organisiert, um die Akteur:innen dabei zu unterstützen. Durch die Zusammenarbeit mit Kund:innen, die zu Mitgliedern werden, und der engen Vernetzung zu Lieferant:innen und Erzeuger:innen, sind die Kooperativen auch in ihren jeweiligen Städten und den Regionen gut eingebunden. So vertreibt der FoodHub Produkte der Community-Kitchen in München. Die SuperCoop Bremen unterhält eine Veranstaltungs-Kooperation mit der BioStadt Bremen. Die SuperCoop Berlin – wie auch andere Kooperativen – ist engagiertes Mitglied im Zentralverband der Konsumgenossenschaften.
Welches Potenzial haben solidarische Supermärkte aus Ihrer Sicht?
Das größte Potential der Kooperativen Lebensmittelläden liegt im Mitgliederansatz. Kund:innen werden zu Mitgliedern und damit zu Miteigentümer:innen des Supermarktes mit vielfältigen Mitbestimmungsmöglichkeiten. Dabei ist die Ansprache einer breiten Zielgruppe explizites Ziel der Kooperativen. Ein weiteres Potenzial liegt in der wertschätzenden Beziehung zwischen den Kund:innen und Erzeuger:innen bzw. Lieferant:innen. Im besten Fall werden bio-regionale und faire Wertschöpfungsketten sowohl gestärkt als auch weiter ausgebaut. Durch all das kann eine starke Gemeinschaft entstehen, die das Gemeinwohl vor Gewinnmaximierung stellt, sowie Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln zu fairen Preisen für alle Beteiligten schafft. Dieses Konzept ist aus unserer Sicht durchaus eine Option für den Generationswechsel bei kleinen – zum Teil inhabergeführten – Bioläden.
Welches Ziel verfolgt das Projekt Wertschätzen?
Das Forschungsprojekt will die Potentiale und Herausforderungen für die Entwicklung von Kooperativen Lebensmittelläden ermitteln. Dabei sollen Aspekte zur Gründung und Organisation der solidarischen Supermärkte beleuchtet werden. Um die weitere Verbreitung dieser zu unterstützen, soll im Jahr 2026 in Kooperation mit der Koordinationsstelle Food Entrepreneurship & Start-up des Instituts auch eine Gründer:innen-Werkstatt organisiert werden. Außerdem werden wir zum Ende der Projektlaufzeit ein Handbuch und einen Gründungs-Leitfaden veröffentlichen.
Weitere Informationen zum Projekt:
Instagram @projektwertschaetzen