Die Europäische Union will die Ökofläche bis 2030 verdreifachen. Dies hat Konsequenzen für die Absatzwege von Bioprodukten. Gemeinsam mit den großen Handelskonzernen wollen die Bioverbände den Biokonsum gezielt steigern.
„Wir haben Landwirte, Hersteller und Händler in Bewegung gebracht. Nun stehen wir vor der nächsten Herausforderung, auch die Verbraucher auf Bio umzustellen“, konstatiert Bioland- Chef Jan Plagge auf den Ökomarketingtagen auf Schloss Kirchberg. Mit ihrem Green New Deal hat die Europäische Union die Ziele der Ökobranche aufgegriffen. So soll sich der Anteil an ökologisch bewirtschafteter Fläche im Laufe der nächsten zehn Jahre von derzeit 8 auf 25 Prozent erhöhen. Bei den Landwirten ist ein große Interesse erkennbar: Derzeit wollen etwa ein Fünftel der konventionellen Landwirte auf Bio umstellen.
Auch wenn Bio auf den heimischen Rohstoffmärkten derzeit eher knapp ist, sind die Weichen für weiteres Wachstum gestellt. Diesem größeren Angebot muss dann zukünftig auch eine entsprechende Nachfrage gegenüberstehen. „Um den Biokonsum zu steigern, ist mehr Information nicht die Lösung. Da muss uns etwas Intelligenteres einfallen“, erklärt der Bioland-Präsident. Für ihn ist der Einzelhandel der ideale Ort für den Einstieg der Konsumenten in ihren eigenen „Umstellungsprozess“.
„Wir müssen die Kunden zum Thema Landwirtschaft und Ernährung aufklären und das ist eine Herausforderung für die gesamte Branche“, sagt Marcus Wewer, Referent für ökologischen Landbau bei der Rewe Group und Vorstand Handel im BÖLW. Da im Bildungssystem in diesem Punkt in den letzten 30 Jahren nicht viel passiert sei, müsse die nachwachsenden Generationen nun gezielt aufgeklärt werden. Dafür investiere Rewe unter anderem in nationale TV-Spots wie „Schon bewusst“.
Marcus Wewer, Referent für ökologischen Landbau bei der Rewe Group und Vorstand Handel im BÖLW.
„Die Werbung soll den Verbrauchern vermitteln, dass ihre Einkaufsentscheidungen Auswirkungen auf die Produktion haben“, erklärt Wewer den Grundansatz. So habe Rewe als erster Händler die Milch der neuen Marke „Du-bist-hier-der-Chef“ gelistet. „Unsere Kunden haben an der Kasse gezeigt, dass sie sehr wohl bereit sind, einen Preisaufschlag zu zahlen, wenn Sie durch eine vernünftige Kommunikation wissen, wofür“, so Wewer. „Händler haben heute auch eine Verantwortung dafür, wo die Ware herkommt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde.“
Die Aufgabe der Händler im Biosegment besteht für Wewer in den nächsten Jahren darin, Angebot und Nachfrage in Einklang bringen. „In diesem Jahr war genug Bio-Milch im Markt, um neue Bio-Molkereiprodukte bei Rewe ins Regal zu stellen. Nächstes Jahr wird es möglicherweise Getreide sein. Dann können wir den Getreideimport für Mehle und Müsli deutlich senken und mehr heimisches Getreide einsetzen. Für unsere Kunden ist es perfekt, wenn man Bio und Regionalität zusammenbringt.“
Das richtige Bio-Sortiment für den jeweiligen Vertriebskanal zusammenzustellen bezeichnet Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet als große Herausforderung. „Wir müssen schauen, die Kunden sowohl in der preislichen Verteidigung wie auch in der Werteentwicklung mitzunehmen“, erklärt Gutberlet, der den Bioanteil bei Tegut von derzeit 30 zukünftig auf 50 Prozent ausbauen will.
Mehr Bio für mehr Kunden will auch Demeter absichern. „Wir hatten 13 neue Demeter-Milchbauern im Schwarzwald, die einen Absatzkanal für bis zu 3 Millionen Liter brauchten“, begründet Demeter-Vorstand Alexander Gerber die Aufnahme von Kaufland als neuer Demeter-Partner. Für eine Vermarktung des Volumens im Fachhandel wären nach Gerber etwa 1000 Biomärkte nötig gewesen. Um Bio für alle zu erreichen, lassen mittlerweile nahezu alle deutschen Bioverbände die alten Grabenkämpfe hinter sich und forcieren den Absatz über den konventionellen Handel.
„Wir wollen neue Kunden für Bio gewinnen“, erklärt Andreas Schopper, Mitglied der Geschäftsführung Einkauf und Marketing bei Kaufland Deutschland. Das Unternehmen habe sich neu ausgerichtet und den Themen Nachhaltigkeit und Bio verschrieben. „Wir sehen Demeter als preisliche Sortimentsabrundung nach oben“, sagt Schopper und versichert, dass es bei Kaufland kein Preisdumping für Demeter geben wird.
Bei der Profilierung mit Bio im LEH will auch Wettbewerber Edeka Vorsicht walten lassen. „Insbesondere in der Fridays für Future – Generation wird die Glaubwürdigkeit im Marketing immer wichtiger“, sagt Robert Poschacher (links im Bild), Bereichsleiter Bio-Produkte in der Edeka Zentrale. Die „Generation Greta“ falle nicht auf Greenwashing herein.