Bioland-Präsident Jan Plagge warnte im Marktgespräch der Biohandel Akademie im Biofach-Kongress vor den Gefahren der neuen Gentechnik. Bio müsse im Wettbewerb der Systeme eine Orientierung bieten.

Nicht weniger als die Zukunft von Bio stand im Marktgespräch auf der Biofach zur Diskussion.  Das 30-Prozent-Ziel sorgt auf dem europäischen Biomarkt für Bewegung und verändert die Branche. „Weil Bio mit der Zielvorgabe aus dem Green Deal jetzt ein politisches Programm in der EU ist, fragen sich nun alle Marktakteure: Will ich dabei sein? Passt das zu meinem Geschäftsmodell oder nicht? Dadurch stehen wir jetzt nicht nur in den Regalen im Wettbewerb, sondern sind auch Teil eines Wettbewerbes unterschiedlicher Geschäftsmodelle“, konstatierte Bioland-Präsident Jan Plagge.  In den vergangen zehn Jahren sei Bio mehr geworden als eine Marktnische. Es sei nun ein größer werdender Teil des Marktes und werde auch so diskutiert und bewertet. „Was Bio als Bewegung ursprünglich sein wollte – der Weg zu einer besseren, nachhaltigeren Land- und Ernährungswirtschaft – findet sich aktuell leider noch stärker in den politischen Strategiepapieren als in den Marktzahlen“, bedauerte Plagge.

Foto:Thomas Langreder/bioverlag

Auf dem europäischen Weg zu mehr Nachhaltigkeit lauern nun plötzlich neue Gefahren. In innovativen Verfahren der Lebensmittelproduktion hat die Finanzbranche aktuell ein lukratives Geschäftsfeld ausgemacht, um die Welternährung zu sichern. „Im Zentrum dieser auf kurzfristigen Gewinn ausgelegten Geschäftsmodelle steht die neue Gentechnik. Neue Verfahren wie Genom Editing sind mit CRISPR-Cas aus Sicht von Finanzinvestoren die Grundlage für die Lösungen der Zukunft. Neben dieser neuen Gentechnik stehen weitere Systemtechnologien wie die Erzeugung von Lebensmitteln in Bio-Reaktoren für Kunstfleisch oder vertikale Gewächshäuser mit Hydrokulturen im Fokus. Derzeit werden Milliarden Euro in diese Geschäftsmodelle investiert. Dabei sind sie nicht die Lösung für unsere Probleme und führen zudem in neue Abhängigkeiten“, sagte der Bioland-Präsident.

Frank Quiring, Rheingold Forschungsinstitut, diskutierte  mit Naturland-Geschäftsführer Steffen Reese, Demeter-Vorstand Alexander Gerber und Bioland-Präsident Jan Plagge, wie die gesellschaftspolitische Forderung nach 30 Prozent Bio im Handel bis 2030 erreicht werden kann. Moderiert wurden die 15.Marktgespräche der BioHandel Akademie von Leon Ginzel (Bildmitte)   Foto: Thomas Langreder/bioverlag

Nachdem sich der Handel den vergangenen Jahren klar mit einem GVO-Verzicht positioniert hat,  hält sich Branche derzeit stark zurück. „Ich kenne derzeit keinen einzigen größeren Lebensmittelhändler, der sich öffentlich klar zum Thema neue Gentechnik positioniert. Sie trauen sich nicht, langfristige Entscheidungen zu treffen, weil sie nicht wissen, wie der Wind sich drehen wird und was die Kunden wirklich wollen“, konstatierte Plagge. Im Juni 2023 will die EU über die Zukunft der Agro-Gentechnik entscheiden werden. Aktuell diskutiert die EU-Kommission Vorschläge für weitreichende Ausnahmen bei der Anwendung der neuen Gentechnik. Eine Risikoprüfung sowie Kennzeichnungspflicht für die neuen Verfahren wären dann nicht mehr garantiert und eine Wahlfreiheit für gentechnikfreien Anbau in der EU nicht mehr möglich.  „Eine De-Regulierung der Gentechnik, wie sie im Nordamerika bereits umgesetzt wurde, führt dazu, dass wir in den Wertschöpfungsketten nicht mehr unterscheiden können, was Gentechnik ist und was nicht. Damit wird uns allen die Wahlfreiheit genommen. Wenn wir dafür sorgen, dass es in Europa nicht so weit kommt, werden wir nicht etwa abgehängt, wie gerne behauptet wird, sondern wir werden vor allem nicht abhängig“, sagte Plagge.

Der Bioland-Chef appellierte im Biohandel-Marktgespräch an den Fachhandel,  den Wandel in der Ernährungsbranche gemeinsam mit Anbauverbänden und Konsumenten zu forcieren. „Für die Transformation brauchen wir jetzt umso mehr Unternehmen, die 100ProzentBio machen, um stabil zu sein und unsere Grundwerte zu kommunizieren. 100ProzentBio-Unternehmen sind nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern eine Bewegung, die Bäuerinnen, Hersteller, Händler und Bürger:innen integriert“, so Plagge. Die Aufgabe von Bio sei es,  in diesem Systemwettbewerb eine Orientierung zu liefern.

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