Viele mittelständische Lebensmittelhersteller kämpfen um ihre Zukunft. Um eine regionale Versorgung mit heimischer Rohware weiterhin zu sichern, muss sich etwas ändern.

In Zeiten der Pandemie brachen globale Lieferketten zusammen und regionale Kreisläufe rückten  in den Fokus. Plötzlich war die Souveränität unserer Ernährung ein relevantes Thema. Bio-Landwirte, Direktvermarkter, Lieferdienste profitierten von der Rückbesinnung der Verbraucher:innen auf die Regionalität von Lebensmitteln.  In den vergangenen Jahren wurde der Aufbau neuer regionale Bio-Wertschöpfungsketten mit verschiedensten Maßnahmen gefördert.  Ein grundlegendes Problem konnte bislang jedoch nicht gelöst werden:  Es fehlen vielfach mittelständische Verarbeiter in den Regionen, die die Rohware vor Ort verarbeiten können.  Und die Prognosen sehen düster aus.

„Es ist Zeit für einen wirklichen Systemwechsel“, forderte Monika Spallek, MdB  und Berichterstatterin für den ländlichen Raum und das Lebensmittelhandwerk bereits vor zwei Jahren. Zu einer resilienten Ernährungswirtschaft gehöre eine gesicherte regionale Versorgung mit Lebensmitteln, die auch in Krisenfällen verlässlich funktioniere. „Wenn jedoch beispielsweise für die Verarbeitung von Getreide oder Hülsenfrüchten keine kurzen Wege zu einem Getreidelager, einer Mühle oder einer Bäckerei existieren, ist unsere Nahversorgung bedroht“, warnt Spallek.

Das Problem ist erkannt,  jedoch noch lange nicht gebannt. Der Negativtrend im Lebensmittelhandwerk konnte bislang nicht gestoppt werden. Im Gegenteil: im Bäckereihandwerk hat in den vergangen zehn Jahren ein Drittel der Betriebe aufgegeben. Eine ähnliche Dynamik findet in der Fleischverarbeitung statt. Zwischen 2012 und 2022 sank die Zahl der Betriebe um 30 Prozent. Allein für das Jahr 2022 ermittelte der Deutsche Fleischverband einen Rückgang von 535 selbstständiger Unternehmen, damit hat sich der langfristige Betriebsschwund in der Branche weiter beschleunigt.

Auch der Ausbau der Bio-Wertschöpfungsketten für die Gemeinschaftsverpflegung leidet unter dem Strukturwandel. „Die Verarbeitung vor Ort ist der Schlüssel zur Lösung, doch derzeit noch in weiter Ferne“, konstatiert Frank Nadler, Geschäftsführer der Agentur Grad9. Der Berliner Projektentwickler hatte 2018 eine Bio-Regio-Projektwoche in der Schulverpflegung der Hauptstadt mit insgesamt 170 000 Essen organisiert. In einem Folge-Projekt sollte er die konstante Bio-Belieferung der Gemeinschaftsverpflegung in Berlin/Brandenburg voranbringen. Ziele war es, große Akteure mit lokalen Projekten für Gemüse, Getreide, Milch und Fleisch zu vernetzen. Das Ergebnis war für Nadler ernüchternd. Da es keinen einzigen biozertifizierten Schälbetrieb in der Region gab, konnte man keine Brandenburger Biokartoffeln auf die Teller bringen.  „Inzwischen gibt es zwar Bio-Schälbetriebe, doch die Abstimmung der Parteien in der Lieferkette scheitert jedes Jahr aufs Neue“, bedauert Nadler.

Wegen Preisunterschieden von 2 Cent pro Kilo Gemüse werde Biogemüse in europäischen Nachbarländer statt in Brandenburg eingekauft, dadurch gingen regionale Anbaustrukturen verloren oder könnten sich nicht neu etablieren.  „Wir müssen weg vom Gießkannen- Prinzip in der Förderung. Wir brauchen in der Verarbeitung positive Beispiele als Leuchttürme, die dann als Multiplikatoren dienen. Die Marktmechanismen alleine werden diese gewünschten Strukturen nicht mit sich bringen“, sagt Nadler.

Wer Wertschöpfungsketten für regionale Lebensmittel voranbringen will, landet oftmals zwischen den Stühlen von Landwirtschaft und Wirtschaft. „Wenn wir die regionale Verarbeitung stärken wollen, muss das Zuständigkeitsproblem gelöst werden“, sagt Bioland-Landwirt Klaus Engemann. Das Lebensmittel-Handwerk werde in die Nähe der landwirtschaftlichen Betriebe rücken, daher sei es zwingend notwendig, für diesen Bereich Förderkonzepte für Investitionen zu entwickeln. Gemeinsam mit der Regionalbewegung NRW hat der Biolandwirt in Eissen ein „Zentrum für Regionalentwicklung  mit Schwerpunkt Lebensmittelverarbeitung und regenerative Energien“ auf den Weg gebracht.

Mit dem Partner Kolpingwerk wurde bereits eine langfristige Vereinbarung zum Start eines Inklusionsunternehmens für Gemüse-Verarbeitung im Jahr 2025 geschlossen. Das Gebäude dafür soll in diesem Jahr fertiggestellt werden.  „In unserem Zentrum können noch weitere Lebensmittel-Manufakturen andocken“, wirbt Klaus Engemann für kurze Wege von Acker zum Teller.   Mit einem neuen Förderprogramm zum Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten will die Rentenbank  die Mittelbeschaffung für den Mittelstand erleichtern. Zielgruppe sind  Landwirte, kleine und mittlere Unternehmen der Ernährungswirtschaft sowie Verbundbetriebe die zur Direktvermarktung gegründet wurden. Gefördert werden Investitionen in Maschinen, bauliche Maßnahmen sowie technische Anlagen zur Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln.

Weitere Infos: Rentenbank fördert regionale Lebensmittelproduktion