In NRW hat der Landesverband der Regionalbewegung die bundesweit erste Strategie für eine Stärkung der regionalen Lebensmittelversorgung vorgestellt. FairBio-Vorstand Klaus Engemann erklärt den Grundansatz des Konzeptes am Beispiel Bio-Kornhaus in Eissen.
Warum brauchen wir eine Regio-Strategie für die Ernährungswirtschaft?
Der Lebensmittelhandel ist international aufgestellt und kauft derzeit auch dementsprechend ein. Regional ausgerichtete Wirtschaftskreisläufe bieten jedoch viele Vorteile. Sie sichern Arbeitsplätze vor Ort und reduzieren die Abhängigkeit vom Weltmarkt. Vor allem in Zeiten, in denen der globale Markt schwankt und Lieferketten instabil sind, wird eine autarke Versorgung mit Lebensmitteln immer wichtiger. Vielfältige Wirtschaftszweige erhöhen zudem die Widerstandskraft einer Region. Durch kurze Transportwege reduzieren sich Umweltbelastung und Lebensmittelverluste. Es gibt also viele gute Gründe für eine regionale Ernährungsstrategie.
Welche Vorteile bietet eine stärkere Regionalisierung aus Sicht der Landwirtschaft?
Sie unterstützt die Selbstbestimmung der regionalen Lieferanten. So wird in unserer Region beispielweise die Braugerste der Warburger Brauerei im Umkreis von 30 Kilometern um das Unternehmen angebaut. Dies erleichtert die Kommunikation über Absatzentwicklung und Anbaumenge zwischen Landwirt und Verarbeiter deutlich. Bei Obst und Gemüse erkennen wir, dass den Konsument:innen das Erleben von regionalen und saisonalen Produkten immer wichtiger wird. Sie wollen wissen, wann welche Produkte wirklich aus der Region geerntet werden. Dies spüren wir in der sehr positiven Ansatzentwicklung unserer Abokisten.
In welcher Form unterstützt der Lebensmittelhandel Regionalkonzepte?
Bislang profiliert sich der LEH eher durch lokale Produkte. Der Fokus liegt in den Supermärken dabei meist auf einer Verlängerung der Direktvermarktung von unverarbeiteten Produkten wie Eiern, Erdbeeren, Spargel oder Kartoffeln aus der Region. Damit ist für den LEH das Regio-Potenzial oftmals bereits ausgeschöpft. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es bislang kaum konsequente Konzepte für regionale Produktlinien. Wenn der Handel sich darauf einlassen könnte, auch verarbeitete Produkte wie Fruchtaufstriche oder Obstsäfte regional zu listen, würde dies zu einer nachhaltigen Sicherheit in den regionalen Kreisläufen führen. Wir müssen dem Handel daher das Profilierungspotenzial gegenüber den Konsumenten durch eine Unterstützung der regionalen Wertschöpfungsketten noch deutlicher vor Augen führen.
An welchen Hürden scheitert bislang der Aufbau regionaler Netzwerke in der Praxis?
Ein großes Problem sind derzeit die fehlenden Verarbeiter für eine handwerkliche Lebensmittelverarbeitung. Die Regio-Strategie will daher den Ausbau regionaler Manufakturen stärken. Neben dem LEH können sich damit natürlich auch andere Vertriebskonzepte wie Abokisten, Marktschwärmer und Regionalwert AGs profilieren. Wenn diese alternativen Absatzwege weiter ausgebaut werden, kommen gerade dort die regionalen Produkte stärker zum Zug.
Welche Rolle spielt Bio im neuen Regio-Konzept NRW?
Die Regio-Strategie ist kein Biokonzept, sie kann den Erzeugern aber auch den Weg zum Biolandbau erleichtern. Zum ökologischen Mehrwert des Konzeptes zählen zudem die Gestaltung einer lebenswerten Region und das Plus an Biodiversität. Dies kann ich als Biolandwirt mit unseren Uferrandstreifen, Hecken und Grünflächen auch vorzeigen. Die Konsumenten können sich bei uns anschauen, was sie durch den Kauf der regionalen Produkte vor Ort bewirken. Damit kann die Verbindung zwischen den Produkten und der Region viel leichter hergestellt werden.
Wie regional ist Dein Bio-Unternehmen derzeit aufgestellt? Wo siehst Du noch Ausbaupotenzial für regionales Bio?
In unserer schönen Region haben die Menschen viel Platz zum Leben, daher wird die Versorgung der Ballungsräume bei uns immer mitgedacht. Trotzdem wollen wir unseren regionalen Absatz weiter steigern. Um die Verarbeitung wieder in die Nähe der Produktion zu bringen, planen wir derzeit ein regionales Bio-Wertschöpfungszentrum, dessen Schwerpunkt auf der regionalen Gemeinschaftsverpflegung liegen soll. Für diese neue Bio-Wertschöpfungskette wurde von der Regionalbewegung und zwei Caterern bereits ein gemeinsamer Antrag für das Netzwerk-Management gestellt. Es soll ein gemeinsames Schäl- und Schneideunternehmen aufgebaut werden, das die Ware passgenau für den Bedarf dieser beiden Partner zuliefert. Damit können diese wiederum auf regionales Bio-Menüs umstellen. Dies ist der Grundansatz der neuen Regio-Strategie NRW: regionale Akteure setzen sich zusammen und lösen ihr Problem gemeinsam in der Region.
Weitere Infos: