Wir schmieren ein Stück Vollkornbrot, kochen Kartoffeln, beißen in eine Möhre oder essen eine Tomate. „Ja und, was soll die Aufzählung?“ fragen sich jetzt vielleicht viele. In der Tat, sie klingt sehr banal. Wir machen uns im Alltag nicht bewusst, dass Saatgut die Grundlage unserer menschlichen Ernährung ist. Jahrtausende lang haben Menschen die besten Pflanzen als Saatgut ausgewählt und so unsere Kulturpflanzenvielfalt hervorgebracht. Heute sind der Klimawandel und das rasante Wachstum der Bevölkerung nur zwei wichtige Gründe, sich einmal Gedanken um unser Saatgut zu machen. Denn Saatgutzüchtung ist inzwischen ein knallhartes Geschäft, beherrscht von einer Handvoll großer multinationaler Konzerne. Auch die Verfahren in der Saatgutzüchtung haben sich stark verändert, so dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass Pflanzen Saatgut produzieren, aus dem wieder neue Pflanzen wachsen. Das verträgt sich gar nicht mit Arten- und Sortenvielfalt und bringt Landwirte in eine große Abhängigkeit von diesen Konzernen. Dafür brummt das Ge-schäft mit dem Saatgut: 2014 hat die gesamte Saatgutbranche 45 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. Den Preis zahlen die Landwirte. Sie können kein eigenes Saatgut mehr aus ihren eigenen Pflanzen gewinnen.

Die Alternative: Ökologische Saatgutzüchtung

Es gibt also viele Gründe, sich für eine nachhaltige Saatgutzüchtung einzusetzen: Unabhängigkeit von konventionellen Saatgutkonzernen, Bewahrung der Vielfalt des pflanzlichen Erbgutes, gentechnikfreie Zukunft, Erhaltung des Saatgutes für die Allgemeinheit. Hinzukommt, dass es bislang zu wenig speziell für den ökologischen Landbau geeignete Sorten gibt. Daher muss ein Biobauer häufig auf konventionelles Saatgut zurückgreifen, das aber nur bedingt geeignet ist. Denn im Ökolandbau dürfen im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft keine chemisch-synthetischen Düngemittel eingesetzt werden, mit denen z.B. Unterschiede in der Bodenqualität ausgeglichen werden können. Die Pflanzen müssen mit einer geringeren und eventuell auch zeitlich schwankenden Nährstoffverfügbarkeit zurechtkommen. Daher werden standortangepasste Sorten gebraucht. Auch sind chemisch-synthetische Pflanzenbehandlungsmittel im Ökolandbau verboten. D.h. die Pflanzen müssen widerstandsfähig gegenüber Krankheiten und Schädlingsbefall und konkurrenzfähig gegenüber Beikräutern auf dem Acker sein. Nicht zuletzt sind gentechnische Verfahren tabu. Da diese aber zunehmend in der konventionellen Züchtung angewendet werden, wird die Saatgutauswahl für die Biobauern immer geringer.

Ökologische Saatgutzüchtung: Unterstützung notwendig!

Ökologische Saatgutzüchtung kostet Zeit und Geld: ungefähr 10 Jahre dauert es, bis eine neue Sor-te gezüchtet wurde und die Kosten belaufen sich auf ungefähr 60.000 Euro jährlich, also insgesamt 600.000 Euro.(2) Dringend erforderlich ist daher eine stärkere Förderung und Unterstützung der ökologischen Saatgutzüchtung und -forschung durch die Politik.Dabei spielt das Engagement, das aus der Biobranche oder von Initiativen kommt, eine wichtige Rolle. Die Mitglieder des BioFairVereins unterstützen die Arbeit von Züchtern, die alte Sorten verbessern und neue Sorten entwickeln, sie verarbeiten samenfeste Sorten und leisten damit Aufklärungsarbeit, um die Saatgutproblematik viel mehr ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Dabei sind sie davon überzeugt, dass es nicht nur um den ökologischen Landbau, sondern um die Lebensgrundlage aller geht. Denn Saatgut ist ein Kulturgut und sollte als solches nicht in den Händen einiger weniger Konzerne sein.

(1) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/430529/umfrage/marktanteile-der-fuehrenden-unternehmen-im-saatguthandel/

(2) http://blog.gls.de/allgemein/kultursaat-e-v-oekologische-gemuesezuechter-erhalten-foerderpreis/