Streuobstwiesen sind die Arche Noah für alte Obstsorten. Bis zu 5 000 Pflanzen- und Tierarten leben auf so einer Wiese. Mit einem besonderen Vermarktungskonzept sichert FairBio-Mitglied Boris Voelkel diese Artenvielfalt vor der Haustür.

„Streuobstwiesen sind ein kostbares Kulturgut und ein wertvoller Lebensraum für eine vielfältige Artengemeinschaft von Tieren und Pflanzen“, sagt Boris Voelkel, Einkaufsleiter bei der Naturkostsafterei Voelkel. Einst gab es hierzulande 1,5 Millionen Hektar, heute ist es nur noch etwa ein Fünftel der Fläche. Etwa 300 000 Hektar mit rund 3 000 alten Obstsorten existieren derzeit noch in Deutschland. Sie sind die Heimat von Seidenhemdchen, Finkenwerder Herbstprinz oder Gelber Richard – so heißen alte Apfelsorten im Wendland. In der Elbtalaue zählten Streuobstwiesen lange Jahre zum vertrauten Bild, bis die Obstbäume ihren Besitzern mangels Vermarktung zur Last fielen und in so manchem Ofen verheizt wurden.

Die extensiven Wiesen beherbergen einen enormen Genpool an Tieren und Pflanzen, die in der intensiv genutzten Agrarlandschaft nur noch wenig Platz finden. Streuobstwiesen sind ein wahrer Schatz für den Erhalt und die Erforschung alter Obstsorten. So manche alte Sorte ist unempfindlicher gegenüber Witterungseinflüssen, resistenter gegenüber Krankheiten und bietet Geschmackserlebnisse, die die modernen Apfelsorten oft vermissen lassen. Um die wertvollen Bestände zu retten, initiierte die Naturkostsafterei bereits vor mehr als 15 Jahren den Bio-Streuobstverein Elbtal e.V.  .

„Wir wollen Anreize schaffen, dass Streuobstwiesen erhalten bleiben und neu angelegt werden. Daher setzt sich der Verein dafür ein, die Bio-Zertifizierung für Privatpersonen attraktiv zu machen“, erläutert Boris Voelkel die Zielsetzung. Viele Eigentümer von Streuobstwiesen besitzen oftmals nur kleine Flächen, für die sich meist eine eigenständige Biozertifizierung nicht lohnt. Um dieses Problem zu lösen, pachtet der Verein die Flächen von seinen Mitgliedern und gibt diese dann zur Bewirtschaftung wieder an Mitglieder ab. Der Verein beantragt dann die Bio-Zertifizierung für die Gesamtfläche der Streuobstwiesen.

Koordiniert wird der Prozess von Kirsten Wiegmann, Voelkel-Mitarbeiterin und zugleich Vereinsvorsitzende. Die Naturkostsafterei garantiert den Vereinsmitgliedern die Abnahme und Verarbeitung der angelieferten Äpfel zu einem fairen Preis. Rund hundert Mitglieder liefern jährlich etwa 75 Tonnen Bio-Äpfel. Sie bekommen die Äpfel mit Geld, Saft aus der Streuobstinitiative oder anderen Voelkel-Säften honoriert. Die naturtrüben Direktsäfte werden mit dem Hinweise auf die Streuobstwiesen Initiative vermarktet. Das Erfolgsmodell zur Rettung der schutzwürdigen Obstwiesen wurde im Raum Lüneburg bereits dupliziert. „Der Bedarf nach Bio Äpfeln aus Norddeutschland ist weit höher, als das Angebot“, freut sich Boris Voelkel über jeden Baum der gepflanzt oder erhalten bleibt.

Rund um den Verein sind zudem zahlreiche weitere Initiativen entstanden, die als Anregungen für andere Regionen dienen. So wurden unter dem Namen „Route der alten Obstsorten“ Obst-Lehrpfade mit Informationstafeln und Namensschildern entlang besonders interessanter Streckenabschnitte initiiert. Sie informieren Bewohner und Touristen über die Sortenvielfalt, Geschichte und Besonderheiten des Streuobstes. Alle zwei Jahre findet in der Region zudem ein „Biostreuobst-Tag“ statt. Wer die eigenen Äpfel keiner Sorte zuordnen kann, findet hier fachkundigen Rat beim Pomologen.

www.route-der-alten-obstsorten-im-wendland.de