Nürnberg, 14.2.2023 – Anhaltende Krisen rufen vielfältige Risiken hervor und sorgen für Druck in Lieferketten. Wie können Verarbeiter und Lieferanten gegensteuern? Eine qualitative Studie der Universität Kassel mit dem FairBio Verein hat die gegenseitigen Erwartungen der Geschäftspartner ermittelt. Welche Faktoren stärken und welche behindern eine faire Zusammenarbeit im Handelsalltag?  

In der aktuellen Debatte um Nachhaltigkeit fällt die soziale Dimension oftmals unter den Tisch.  Doch Nachhaltigkeit ruht auf drei Säulen: Soziales, Ökologie und Ökonomie. Fairness als sozialer, nachhaltiger Mehrwert war von Beginn an ein grundlegendes Handlungsprinzip der Bio-Bewegung. Mit dem Wachstumsprozess der Branche sowie dem Vorstoß in neue Vertriebskanäle rückte dieser Bio-Mehrwert jedoch in den Hintergrund.

Mit einer eigenen Zertifizierung für faires, heimisches Bio setzen die Mitglieder des FairBio Vereins daher seit 15 Jahren ein klares Zeichen. „Der soziale, faire Aspekt ist für uns entscheidend, um auch in Krisenzeiten resiliente Wertschätzungsketten zu sichern“, erklärt Karin Artzt-Steinbrink, Vorsitzende des FairBio Vereins.

Das FairBio-Siegel erreichte im Vergleich mit 60 anderen Labeln für ethischen Konsum im Labelcheck der Christlichen Initiative Romero  in den Kategorien Soziales, Ökologie und Glaubwürdigkeit die jeweils beste Bewertung und sicherte sich damit den ersten Platz.

   

 

Um faires Bio aus der Heimat auch in schwierigen Zeiten weiterhin zu gewährleisten, hat der FairBio Verein gemeinsam mit Universität Kassel in einer qualitativen Studie ermittelt, welche Handelspraktiken den Erhalt von Vertrauen in partnerschaftlichen Lieferbeziehungen begünstigen. „Vertrauen ist wichtig, um Herausforderungen in Lieferketten gemeinsam zu bewältigen“, erklärt Boris Voelkel, Geschäftsführer Einkauf der Voelkel GmbH. „30 Prozent Bio schaffen wir nur, wenn wir das Vertrauen der Landwirte nicht untergraben. Dabei geht es nicht nur um auskömmliche Preise, sondern auch um Verlässlichkeit. Wenn die aktuelle Entwicklung eine Rückstellungswelle provoziert und das Vertrauen verspielt wird, dann schaffen wir es nicht. Daher engagiere ich mich für den konsequenten Erhalt langfristiger und partnerschaftlicher Strukturen.“

Für die Studie wurden in fünf FairBio-Unternehmen insgesamt 13 Lieferanten sowie die jeweiligen Einkäufer:innen ihrer Abnehmer aus den Bereichen Milchproduktion, Obst- und Gemüseanbau sowie Getreideanbau und -vermarktung interviewt. In ausführlichen Gesprächen hat Studienleiterin Maren Busch, Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, die Handelspartner befragt, welche konkreten Faktoren das Vertrauen in der Geschäftsbeziehung stärken.

 Aus Sicht der Lieferanten sind dies drei Aspekte:

# Gegenseitige Bereitschaft für Zugeständnisse bei Preis- und Mengenabsprachen

# Erfahrungen im Umgang mit Qualitäts- und Mengenschwankungen

# Kurze Entscheidungswege und eine schnelle Zahlungsabwicklung

Wenn die Lieferanten aktiv in die Planung von Mengen, Qualitäten und die Gestaltung von Kontrakten einbezogen sind, können beidseitig Planungsprozesse optimiert und rechtzeitig an volatile Marktbedingungen angepasst werden, so das Fazit. Vertrauen spielt dabei immer dann eine wichtige Rolle, wenn Schwankungen hinsichtlich der Qualität oder Menge der Ware auftreten oder Finanzierungsengpässe entstehen.

Für FairBio-Vorstand  Klaus Engemann (rechts) und seinen Kooperationspartner Dirk Herdieckerhoff sichert ein regelmäßiger Informationsaustausch das Vertrauen in Lieferbeziehungen.    Foto: Engemann   

Die Bereitschaft zur Übermengenabnahme, eine schnelle Zahlungsabwicklung und eine gute Vermarktungskompetenzen ihrer Abnehmer stärkt das Vertrauen, so die Einschätzung der Lieferanten.  Die Verarbeiter erwarten im Gegenzug von ihren Lieferanten Loyalität und die Bemühung um die Aufrechterhaltung einer langfristigen Lieferbeziehung. „Wir brauchen eine Kontinuität in der Dauer, der Qualität und der Kommunikation der Zusammenarbeit“, heißt es auf Verarbeiterseite. Vertrauen entstehe dadurch, wenn bei Unzufriedenheit der Dialog gesucht würde, um gemeinsam faire Lösungen zu finden.

Wichtige Faktoren für Verarbeiter

# Loyalität und Liefertreue

# Offenheit zum Dialog

# Ehrlichkeit und Wertschätzung

Auf beiden Seiten betonen die Befragten die Bedeutung des Verantwortungsbewusstseins für die Bedürfnisse der gesamten Kette, um auf den gestiegenen Marktdruck zu reagieren.  „Wir müssen einen Raum schaffen, in dem wir auf die ganze Kette schauen, die besonderen Belastungen ermitteln und dann die Wertschöpfung gerecht verteilen“, erklärt Klaus Engemann, FairBio-Vorstand und Geschäftsführer des Biolandhofes Engemann.  Für Lieferanten und Verarbeiter sind dabei ehrliche Preise wichtig für eine zufriedenstellende Zusammenarbeit. „Es war auf beiden Seiten der Wunsch da, nicht ständig um die Preise zu pokern. Wir versuchen stattdessen, verträgliche Preise für beide Seiten zu finden. Damit der Landwirt gut klarkommt, aber auch der Kunde vernünftig planen kann“, erklärt ein Lieferant.

„Da ist eine Wertschätzung drin. Es geht nicht darum den letzten Cent rauszuholen, sondern die Beziehungsebene muss auch stimmen“, sagt Gesa Jost,  Leitung Getreideaufbereitung und Vermarktung Iburgshof.  „An Geschäftsbeziehungen wie an anderen Beziehungen muss man arbeiten und das Gefühl haben, das ist ein Geben und Nehmen. In dem Moment, wo ein Partner das Gefühl hat, er ist nur noch Geber, funktioniert es nicht mehr.“ Regionale und faire Lieferbeziehungen können Marktschwankungen eher standhalten – vorausgesetzt, die Kommunikation stimmt. Für Vertrauen braucht es Kommunikation, um das gegenseitige Verständnis zu sichern. Vertragliche Zusätze sind zwar wichtig, aber entscheidend sei die Kommunikation, bestätigen die FairBio Verarbeiter.

Studienleiterin Maren Busch, Uni Kassel

„Die Studienergebnisse zeigen, dass faire Preise nicht allein für vertrauensvolle Lieferbeziehungen sorgen. Ein regelmäßiger Informationsaustausch zu Marktveränderungen, individuelle betriebliche Herausforderungen und Lieferbedingungen spielt in der Vertrauensbildung eine entscheidende Rolle. Dieser Aspekt wird bislang jedoch in der Debatte um Fairness noch zu wenig berücksichtigt“, erläutert Studienleiterin Maren Busch. „Wenn den Unternehmen ein nachhaltiger Aufbau einer Fairnesskultur in ihren Lieferbeziehungen gelingt, führt dies zu Risiko- und Kollaborationsbereitschaft und kann damit die Resilienz in Lieferketten steigern.“

Weitere Infos zur Studie:  Maren.Busch@uni-kassel.de

Der FairBio Verein

Seit 15 Jahren stellen die Mitglieder des FairBio Vereins vom Landwirt über den Hersteller bis zum Händler die Weichen für Fairänderung und regionales Wirtschaften.  Auf mehr als 200 Produkten setzen wir mit unserem Siegel inzwischen ein deutliches Signal für Fairness für heimisches Bio. Das FairBio-Siegel steht für:

# Bio von hier – Mit regionalem Rohstoffbezug und langfristigen Partnerschaften sichern wir gesunde Strukturen für gesunde Lebensmittel in der Heimat.

# 100 Prozent Bio – Alle zertifizierten Unternehmen sind reine Biobetriebe.

# Keine Konzerne –  FairBio-Mitglieder sind eigenständige Unternehmen, in denen die Entscheidungen von Inhabern, Gesellschaftern oder Genossen getroffen werden.

# Transparenz – Die Unternehmen machen den Warenbezug transparent und informieren woher und von wem die heimischen Rohstoffe bezogen werden.

# Faire Preise für Landwirt:innen – Das Label steht für einen sozialen Mehrwert von Bio. Faire Preise für heimische Erzeuger und langfristige Verträge stehen im Mittelpunkt.

# Faire Löhne für Mitarbeiter:innen – Gerechte Löhne sichern wir durch eine Anlehnung an die Gemeinwohlökonomie, die eine maximale Lohnspreizung zwischen der höchsten und niedrigsten  Gehaltsstufe benennt.

#Zertifizierte Unternehmen – Für FairBio steht das ganze Unternehmen auf dem Prüfstand- nicht nur einzelne Produktlinien.

# Unabhängige Kontrolle – Ob eine Lieferbeziehung für den Produzenten fair ist, wird durch eine unabhängig Kontrollstelle überprüft. In diesem Prozess können die Landwirte ein Feedback an den Zertifizierer geben – ein Novum in der Branche.

 

Weitere Infos: www.fairbio.bio

Pressekontakt: Birgit Will: +49 (0) 0345-132 595-46, will@fairbio.bio