Der Green New Deal steht für mehr Bioanbau, mehr Arten- und Klimaschutz und Gerechtigkeit in der Wertschöpfungskette. Für diese Ziele treten Bio-Hersteller bereits seit Jahrzehnten ein. Überstehen die originären Bio-Werte den zukünftigen Wachstumsprozess?
„Menschen kaufen Bio nicht mehr nur, weil sie sich gesund ernähren wollen, sondern weil sie in einer lebenswerten, zukunftsfähigen Welt leben möchten“, sagt Boris Voelkel, Geschäftsführer Einkauf der Naturkostsafterei Voelkel. Seine Aufgabe als Bioverarbeiter sei es, stabile Rahmenbedingung für die Biolandwirtschaft zu schaffen. Mit langfristigen Lieferpartnerschaften, leicht antizyklische Preise und empathischen Wirtschaften sichert Voelkel die Beschaffung von „gesunden Lebensmittel aus gesunden Strukturen“.
Mit ihrem Green New Deal hat die Europäische Union die Ziele der Ökobranche aufgegriffen. So soll der Anteil an ökologisch bewirtschafteter Fläche im Laufe der nächsten zehn Jahre von derzeit 8 auf 25 Prozent erhöht. Die Chancen, aber auch die Gefahren des weiteren Wachstumsprozess diskutierte die Biobranche auf Ökomarketingtagen in der Akademie Schloss Kirchberg/Jagst, die in diesem Jahr überwiegend digital stattfanden.
„Die Ökobranche tappt in die gleichen Fallen wie zuvor die konventionellen Anbieter. Damit schlittern wir auch in die gleichen Probleme“, warnt FairBio-Vorstand Boris Voelkel, für den ein „anderes Wirtschaften“ auch zukünftig eine elementare Stellschraube im Biosektor darstellt. Voelkels Plädoyer für den Erhalt von mittelständischen Strukturen in der Biobranche wird von seinen Herstellerkollegen unterstützt.
„Der derzeitige Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft ist beängstigend. Die Bio-Landwirtschaft macht unter Umständen derzeit die gleichen Fehler wie zuvor die konventionelle Landwirtschaft“, bestätigt Volker Krause, Geschäftsführer der Bohlsener Mühle. Für ihn hängt die Wertschätzung der Verbraucher stark von der Vielfalt in den Betriebsstrukturen ab. Dabei geht der Chef der Bohlsener-Mühle durchaus auch mit der eigenen Wertschöpfungsstufe selbstkritisch ins Gericht: „Es reicht nicht, wenn wir als Verarbeiter einfach nur Durchlauferhitzer für die Rohstoffverarbeitung sind. Soziale Arbeitsbedingungen und faire Lieferbeziehungen sind Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften in den Unternehmen.“ Für den Bio-Müller sind ökologische Verarbeiter nur dann zukunftsfähig, wenn sie „dezentral, mittelständig und autonom sind: „Wir sind Teil derer, die zukunftsfähige Strukturen gestalten können, weil wir die stärkere Wirkung in den Regionen haben und durch Marke und Story die Landwirtschaft mit dem Verbraucher verbinden.“ Für Volker Krause liegt dies schlichtweg in der Natur der Sache: Durch Regionalität und enge Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft und der Augenhöhe mit den Vermarktungsstrukturen erkenne man erst die Probleme und habe die Möglichkeit, Dinge zu ändern.
„Wir sind alle gefordert, damit der Green Deal kein Green Washing wird“, warnt Alexander Beck, Geschäftsführer der Assoziation ökologisch wirtschaftender Lebensmittelhersteller (AöL). Im Zuge der praktischen Umsetzung der EU-Vorschläge rechnet Beck mit starken Auseinandersetzungen in Sachen Preise. „Wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, ist dies der effektivste Mechanismus, zu einem nachhaltigeren, landwirtschaftliche System. Doch in keinem Land in Europe werden Lebensmittel mehr verramscht als in Deutschland“, so Beck. Die Biobranche habe in den letzten Jahren als Türöffner fungiert, um mit dem Kunden wieder über Qualität ins Gespräch zu kommen. „Eine nicht zu unterschätzender Beitrag in einem vollkommen preisfixierten Segment, der nicht durch Preisschlachten um Biolebensmittel verspielt werden sollte.“