Im Punkt soziale Nachhaltigkeit offenbart eine neue Studie des Umweltbundesamtes bei den  großen Handelskonzernen noch viel Luft nach oben. Fazit der Experten: Der LEH unternimmt im Einkauf nicht genug.

„In den Handlungsfeldern, die sich direkt auf die Beschaffung der Rohstoffe und Produkte beziehen, wurden die größten Defizite festgestellt“, erklären die Wissenschaftler von Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) hatte das FiBL die Nachhaltigkeitsaktivitäten des Lebensmittelhandels in einer Folgestudie erneut untersucht.  In der aktuellen Studie wurde die Bewertung der Handlungsfelder um soziale Aspekte und Tierwohl erweitert.

„Es ist richtig und wichtig, dass der Lebensmitteleinzelhandel nicht nur seine eigenen Treibhausgasemissionen in den Blick nimmt, sondern die der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt UBA-Präsident Messner. „Allerdings müssen die gestiegenen Umwelt- und Klimaanforderungen auch mit entsprechenden finanziellen Kompensationen durch den Einzelhandel begleitet werden, um den Erzeugern ein einträgliches Wirtschaften zu ermöglichen. Ein einfaches ‚Weiterreichen‘ der Anforderungen führt nur zu noch größerem Unmut bei Bäuerinnen und Bauern.“

Noch viel Luft bei sozialen Aspekten

Definition und Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen in der Lieferkette  ( UBA-Studie 2025)

 

Bonuszahlungen für nachhaltige Beschaffung

Die Experten empfehlen daher eine stärker Verzahnung der Nachhaltigkeitsthemen mit dem operativen Bereich sowie ein konkretes Anreizsystem für den Einkauf. So könnten finanzielle Anreize oder Mindestquoten für den Einkauf und das Category Management geschaffen werden, um ökologische, soziale und tierwohlbezogene Ziele zu erreichen. Die zentrale Herausforderung besteht auch Expertensicht darin, den Konflikt zwischen  Nachhaltigkeitszielen und unternehmerischer Profitorientierung aufzulösen.  Die Studie regt daher an, auch die Einkaufspraktiken in den Nachhaltigkeitsberichten der Handelskonzerne abzubilden.  Das größte Verbesserungspotenzial zur Verankerung sozialer Nachhaltigkeit hat die die Studie im Einkauf durch Bonuszahlungen für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen im Sortiment ausgemacht.

Obwohl die Unternehmen bereits Umweltwirkungen wie Treibhausgasemissionen und Entwaldung untersucht haben, vermissen die Experten Analysen zu weiteren Umweltwirkungen. Insbesondere fehlen Bewertungen zu wichtigen Umweltwirkungen wie Bodenerosion, Bodenverdichtung, potenziellem Artensterben, Toxizität von Pestiziden und Überfischung. Diese Themen sind für eine umfassende Bewertung der ökologischen Auswirkungen eines Unternehmens jedoch unerlässlich. Zudem beschränken sich einige Unternehmen darauf, nur bestimmte Teilbereiche ihres Sortiments zu untersuchen, anstatt eine umfassende Wirkungsanalyse für das gesamte Sortiment durchzuführen.

Deutlichen Nachholbedarf ermittelt die Studie auch im Einkauf zertifizierte Rohstoffe und Produkten.  Die meisten Unternehmen erreichen hohe Zertifizierungsraten für die Rohstoffe Palmfett, Kaffee, Kakao, Tee und Fisch. Darüber hinaus werden für viele Rohstoffgruppen jedoch überwiegend schwache Zertifizierungsstandards genutzt, bemängelt die Studie.

 

Defizite im Einkauf

Bewertung der zertifizierten Rohstoffe und Produkte (UBA-Studie 2025)

Optimierung durch stärkere Standards

Vor allem bei den Rohstoffen Rohrzucker, Tee und Kakao besteht laut Studie für einige Unternehmen noch Potenzial für eine höhere Zertifizierungsquote. „Bis auf wenige Ausnahmen haben die Unternehmen ihr Sortiment durchweg eher mit schwach wirksamen Standards zertifiziert“, so das Fazit der Studie.

Für viele Rohstoffgruppen könnten die überwiegend schwachen Zertifizierungsstandards durchaus durch ambitioniertere Standards ersetzt werden. So würde bei Fleisch- und Milchprodukte oftmals nur die Haltungsform angegeben. Für andere Rohstoffgruppen, wie pflanzliche Öle und Fette, Hülsen- und Schalenfrüchte sowie Getreide legten die meisten Handelsunternehmen bislang gar keine Zertifizierungsstrategien vor. Die UBA-Experten beurteilten die Zertifizierungen auf Basis der Labelchecker-Recherche von CIR. Dabei rangiert die FairBio-Zertifizierung für „Faires Bio von Hier“ in der Gruppe der stark wirksamen Zertifizierungskonzepte.

 

Termin auf der Biofach

Wie nachhaltig agiert der deutsche LEH? Was  bedeutet die für den Biobereich? 

Die Studienergebnisse diskutieren die UBA-Experten auf der Biofach am  Donnerstag, dem 13. Februar um 12.15 im Raum Istandbul, NCC Ost

 

Details zur Studie

Die Studie wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) Schweiz und Deutschland, mit Unterstützung durch die Universität Gießen und die Technische Hochschule Nürnberg durchgeführt. Das FiBL hat bereits 2022 für das UBA Umweltleistungen der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) erfasst und bewertet. Die Bewertungskategorien wurden in der aktuellen Studie um die Nachhaltigkeitsdimensionen der sozialen Verantwortung und des Tierwohls erweitert. Die aktuelle Studie markiert den Ist-Stand des LEH-Monitorings für das Jahr 2023. Sie zeigt die Entwicklungen auf, die vom LEH angestoßen werden und identifiziert weiteren Handlungsbedarf, um weitere Impulse für mehr Nachhaltigkeit im Lebensmitteleinzelhandel zu setzen.

Weitere Infos:

Wie nachhaltig sind deutsche Supermärkte?