Die CSRD-Richtlinie ist verabschiedet und wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen verschärfen. Berichtspflichtige Unternehmen fordern auch von ihren Lieferanten entsprechende Nachweise ein. Was bedeutet dies für ein kleines Unternehmen wie die Bio-Mühle Eiling?
FairBio hat bei Geschäftsführer Thorsten Eiling und der Nachhaltigkeitsbeauftragten Sandra Wilms nachgefragt.
Warum profitieren auch kleine Unternehmen von einer Nachhaltigkeitsstrategie?
Sandra Wilms: Seit Januar 2024 gilt die CSRD-Richtlinie für die ersten Unternehmen in der EU. Die Berichtspflicht erstreckt sich dabei auf die gesamte Wertschöpfungskette. Auch von kleineren Lieferanten werden zahlreiche Angaben wie beispielsweise zu Abfall-, Energie- und Emissionsdaten sowie zur Ressourcennutzung und Arbeitsbedingungen angefragt. Daher sind indirekt auch kleinere Unternehmen betroffen.
Was bedeutet dies für mittelständische Unternehmen wie die Bio-Mühle Eiling?
Sandra Wilms: Mit der Nachhaltigkeitsstrategie stellt ein Unternehmen sein Geschäftsmodell hinsichtlich Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung auf den Prüfstand. Eine Strategie ist wie ein Zukunftskompass und hilft dabei, Innovationen hervorzubringen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Wachstum zu sichern oder Energiekosten und Emissionen zu senken. Wichtige Handlungsfelder, Ziele und Kennzahlen werden an einer Stelle verortet und schaffen Transparenz. Ziele werden damit messbar und Ergebnisse prüfbar. Das wiederum steigert die Motivation der Beteiligten. Durch die Abfrage der großen Abnehmer zu bestimmten Daten fühlen sich kleinere Unternehmen anfangs verständlicherweise überfordert. Es gibt jedoch einige gute Anlaufstellen, wie zum Beispiel die Energie-Effizienz-Agentur NRW. Mit deren Tool ecocockpit hat die Bio-Mühle die erste C02-Bilanz des Unternehmens auf den Weg gebracht.
Was gab in der Bio-Mühle den Anstoss für die Entwicklung der Strategie?
Thorsten Eiling: Wir waren bereits vor vier Jahren Teil eines Studienprojektes mit Sandra Wilms, die heute als Nachhaltigkeitsbeauftragte für uns arbeitet. Sie unterstützt den Betrieb seitdem in der internen Umsetzung des Themas und stellt gemeinsam mit unserem Team die notwendigen Daten zusammen. In verschiedenen Projekten arbeiten wir seitdem kontinuierlich an der Datenerfassung und Auswertung für unseren Nachhaltigkeitsbericht. Wie zum Beispiel mithilfe des sich aktuell im Zertifizierungsprozess befindenden Umweltmanagementsystem ÖKOPROFIT. Obwohl wir als kleines Unternehmen noch gar nicht berichtspflichtig sind, fordern die großen Unternehmen aktuell ja bereits unsere Daten ab. Daher bin ich sehr froh, dass wir uns durch das Uniprojekt frühzeitig dafür aufgestellt haben. Heute können wir davon profitieren.
Wie viel Aufwand bedeutet die Umsetzung für ein mittelständisches Unternehmen?
Sandra Wilms: Natürlich ist die Umsetzung für alle Beteiligten auch ein enormer Kraftakt. Der Transformationsprozess dahinter wird oftmals erst später erkennbar. Bei der Bio-Mühle Eiling bin ich 2021 auf offene Ohren und Interesse von Thorsten und Jens Eiling gestoßen. Sie betreiben bereits seit 2010 als reine Bio-Mühle per se ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Die Müller sind zudem Gründungsmitglieder des FairBio Vereins und setzen sich für regionales Wirtschaften und Fairness vor der eigenen Haustür ein. Das hat im Prozess vieles vereinfacht. Mit der Entwicklung der Strategie hat sich die Bio-Mühle Nachhaltigkeit im Ganzen bewusst gemacht: sozial – ökologisch – ökonomisch. Positives wird in den drei Feldern verstärkt, Negatives minimiert. Die beiden Unternehmer sind offen für Neues und riskieren auch schon mal was. Der Erfolg gibt ihnen dabei Recht.
Thorsten Eiling: Für das Erfassen der Daten und deren Verarbeitung sind monatlich insgesamt sicherlich zwischen 80 und 100 Stunden bei verschiedenen Mitarbeitern angefallen. Zukünftig planen wir in unserer Mühle etwa eine halbe Stelle für diese Aufgaben ein.
Sandra Wilms: Zeit und Kosten lassen sich nicht pauschalisieren. Es kommt auf den Umfang und die Unternehmensgröße an. Und auf den Reifegrad des Unternehmen zu Nachhaltigkeit. Außerdem, ob eine Berichtspflicht besteht oder ob die Nachhaltigkeitsstrategie auf freiwilliger Basis erfolgt. Einen erfahrenen Nachhaltigkeitsmanager mit ins Boot zu holen, ist sicherlich ein klarer Vorteil und sollte wertgeschätzt werden. Auch ein Quereinstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement mit entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten ist möglich. Es ist sicherlich hilfreich, sich im Vorfeld mit Kostenpunkten zu Personal, externe Beratung, Workshops und Weiterbildungen, Tools auseinanderzusetzen.
Welche Grundvoraussetzungen sollten gegeben ein? Wie funktioniert der Ablauf in der Praxis?
Sandra Wilms: Wichtige Erfolgsfaktoren sind Zeit, Budget, Ressourcen und Qualität. Schon ein bisschen von allem kann zwar keine Berge, aber Mauern rücken. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch die Grundhaltung „Wollen statt Müssen“. Dadurch lassen sich auch eher die Chancen einer Nachhaltigkeitsstrategie erkennen. Zu Beginn wurden für die Bio-Mühle der Status Quo ermittelt sowie Chancen und Risiken analysiert. Darauf folgten Workshops zu Werten und zur Wissensvermittlung zu den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung. Für das Unternehmen konnten wir sechs der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) identifizieren sowie die wichtigsten Interessengruppen ermitteln. Der Prozess wurde dokumentiert, sortiert und priorisiert, um die unternehmensinternen Ziele herauszuarbeiten und erste Maßnahmen abzuleiten. Thorsten und Jens Eiling haben sich im hektischen Geschäftsalltag immer wieder Zeit genommen, um Neues kennenzulernen. Wurde die zeitliche Belastung für die Beteiligten kurzfristig zu hoch, konnte auch mal die Notbremse gezogen werden. Aktuell erstellen wir unsere zweite C02-Bilanz in Scope 1 und 2 sowie teilweise Scope 3. Scopes sind Geltungsbereiche, in denen wir Treibhausgase emittieren und diese reduzieren wollen. Das ist eine steile Lernkurve, doch durch die C02-Bilanz lassen sich C02-Treiber identifizieren. Damit können dann entsprechende Einsparungsmaßnahmen abgeleitet werden.
Welche nachhaltigen Ziele hat sich die Mühle gesetzt?
Thorsten Eiling: Wir wollen unsere Bio-Mühle zukunftssicher aufstellen und unseren Vorsprung als reine Biomühle weiter ausbauen. Gleichzeitig müssen wir auf Risiken wie beispielsweise durch Engpässe bei unseren Landwirten aufgrund von Ernteertragsausfällen gut vorbereitet sein. Wir wollen das Müllerhandwerk an die nächsten Generationen übergeben können, damit Tradition, Innovation und modernste Technologien weiterhin gesunde Lebensmittel mit höchstem Qualitätsanspruch hervorbringen. Unsere Ziele sind ein gesundes Wachstum und die Sicherung der Arbeitsplätze.
Welche Vorteile bietet der Nachhaltigkeits-TÜV der Bio-Mühle?
Thorsten Eiling: Wir setzen damit ein positives Signal für unsere Kunden und andere für uns wichtige Interessengruppen, wie unsere Mitarbeitenden. So informieren wir unsere Direktkunden ausführlich über den Ablauf und werden demnächst eine eigene Infoseite dazu freischalten. Die erfasste Datenbasis für die Kriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales helfen uns auch bei anderen Zertifizierungen. Unsere dokumentierten ESG-Bausteine hinterlassen zudem bei unseren Geschäftspartnern einen guten Eindruck. Daneben beschert dies unserer Mühle auch ökonomische Vorteile. Wenn man alles auf links dreht, erkennt man weiteres Sparpotential und die Mitarbeiter werden für das Thema sensibilisiert. Da die Lieferantenauskünfte unserer Abnehmer immer mehr Daten einfordern, ist es sicherlich von Vorteil, wenn wir unsere Datenbasis entsprechend aufbereiten.
Hier geht es zur Lernreise der Bio-Mühle zu den Sustainable Development Goals.