Für Rike Kappler, Geschäftsführerin der ökologischen Vollkornbäckerei cibaria aus Münster sind biofaire Wertschöpfungsketten in Regionen wichtig, weil Transparenz Vertrauen schafft zwischen Herstellerbetrieb, den Landwirten und den Kunden. Und das stärkt die Region.

„Das Nächste, nicht das Billigste“

Durch die unternehmerische Tätigkeit und Kooperationen wirken Unternehmen in die Region hinein. Am Beispiel der cibaria Bäckerei zeigt sich, wie hierbei biofaire Wertschöpfungsketten in Regionen gelebt werden können. Bäckermeisterin und Geschäftsführerin Rike Kappler vertritt hierzu eine eindeutige Position: „Wir kaufen nicht das Billigste, sondern das Nächste. Deshalb beziehen wir unser Getreide direkt aus dem nahen Umland. Das gilt übrigens auch für das meiste Obst und Gemüse, das wir in unserer Bäckerei verarbeiten. Erdbeerkuchen gibt es zum Beispiel nur in der Saison. Auch andere Aufträge vergeben wir in Münster oder in die Region: Die Getreidereinigung übernimmt ein Ökobetrieb im Münsterland, die Arbeitskleidung aus der Bäckerei lassen wir von einer sozialen Einrichtung in Münster waschen.“

Zur Geschäftsphilosophie der Bäckerei gehört auch die Unterstützung von lokale Initiativen. Seit Jahren wird zum Beispiel das multikulturelle Münsteraner Jugendtheater Cactus gesponsert. Von den Kooperationen mit dem Fachbereich Ökotrophologie und Nachhaltigkeit der Fachhochschule Münster profitieren sowohl Wissenschaft als auch Handwerk. „Für uns ist die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Handwerk sehr zielführend, so zum Beispiel beim Projekt ‚Die Eindämmung von Abfällen in der Bäckerei‘ oder der Berechnung nach der Gemeinwohlökonomie“, sagt Rike Kappler.

Die ökologische Vollkornbäckerei cibaria wurde 1990 von Rike Kappler und Rita Umbreit gegründet. Die Zahl der Beschäftigten ist ständig gewachsen. Heute sind rund 50 Mitarbeiter (davon 80 Prozent Frauen) und 5 Auszubildende zur Konditorin bzw. Bäckerin beschäftigt. Verkauft werden die Backwaren im eigenen Laden, auf den Wochenmärkten in Münster und im Münsterland sowie in den Naturkostfachgeschäften und Superbiomärkten in der Region.

So profitiert die Stadt Münster und das Umland vom Unternehmen

Dieser regionale Ansatz von cibaria lässt sich durch Zahlen belegen. Wissenschaftler vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier haben entsprechende Berechnungen durchgeführt. Sie zeigen: ein sehr hoher Anteil des jährlichen Umsatzes wird in einem 100 km-Umkreis um das Unternehmen ausgezahlt. Der regionale Wertschöpfungsbeitrag ist mit 84 Prozent in einem Umkreis von 100 km sehr hoch.

Die Wissenschaftler haben auch noch aufgesplittet, wie das Geld verteilt ist. Etwas über 20 Prozent davon erhalten die Bio-Landwirte, die die Rohstoffe liefern, aber der weitaus größte Posten sind die Personalausgaben mit über 50 Prozent. Das ist kein Wunder, denn ein Unternehmen, das Getreide zu Brot und Kuchen verarbeitet, hat natürlich einen höheren Personalaufwand als der Bio-Landwirt, der das Getreide anbaut.

Doch bei cibaria kommt noch etwas hinzu: der Qualitäts- und Regionalitätsanspruch der ökologischen Bäckerei. Der Ansatz, möglichst Rohstoffe aus der unmittelbaren Region zu verarbeiten, ist für die Bäckerei eine Herausforderung. Denn die Qualität von Getreide kann von Ernte zu Ernte schwanken. Das gilt vor allem für die Backfähigkeit. „Um mit solchen Schwankungen umgehen zu können und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen guter Backfähigkeit und gutem Aroma herzustellen, braucht es viel berufliche Erfahrung und handwerkliches Können. Das können ungelernte Arbeitskräfte nicht leisten und auch keine Menschen, denen egal ist, was sie arbeiten. Daher brauchen wir engagierte, ausgebildete Fachkräfte und natürlich sind die Personalkosten dadurch höher“, erklärt die Bäckermeisterin Rike Kappler.

Der ‚Regionalwert‘ des Unternehmens

Zum Projekt „Bio&Faire Wertschöpfungsketten in Regionen“ gehörte auch die Frage, welchen Wert ein Unternehmen für alle diejenigen in der Region hat, die von dem Unternehmen profitieren, also das Personal durch Löhne und Gehälter, die Gemeinde durch Steuern, die Lieferanten durch Umsatz usw. (die sogenannten Stakeholder). Wissenschaftler des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier haben sich daran gemacht, hierfür einen Ansatz zu entwickeln. Sie haben sich dabei an Verfahren zur klassischen Unternehmensbewertung orientiert. Dabei wird in die Zukunft gedacht und die vom Unternehmen geschaffenen Wertbeiträge für alle Stakeholder berechnet sowie mit finanzmathematischen Verfahren gewichtet. Die Summe daraus bildet den ‚Regionalwert‘ eines Unternehmens. Das heißt: der so ermittelte Regionalwert spiegelt nicht den Wert des Unternehmens für die Eigentümer oder Gesellschafter wider, sondern er bildet die vom Unternehmen geschaffenen Wertbeiträge für alle Stakeholder ab.

Nach diesen Berechnungen hat die ökologische Vollkornbäckerei cibaria einen ‚Regionalwert‘ in Höhe von mindestens 21 Millionen Euro bezogen auf einen Umkreis von 100 Kilometern.