Die Bezahlung für die ausgelieferten Bohnenpaletten lässt auf sich warten, eine weitere Lieferung wird kurzfristig storniert. Unlautere Handelspraktiken wie diese sind nach dem neuen AgrarOLkG nicht zulässig. Doch sind die Verbote in der Praxis auch wirksam? Das BMEL hat die Marktteilnehmer befragt.
Gegenüber großen Konzernen in Verarbeitung und Lebensmitteleinzelhandel haben Landwirte eine geringe Verhandlungsmacht. Die vier großen Gruppen um Edeka, Rewe, Aldi und dem Schwarz-Konzern beanspruchen zusammen seit Jahren einen stabilen Marktanteil von rund 80 Prozent. Durch dieses Marktungleichgewicht in der Lebensmittelkette haben sich in der Vergangenheit Praktiken etabliert, die Erzeuger benachteiligen. Um für mehr Fairness in den Geschäftsbeziehungen der Lebensmittellieferkette zu sorgen, wurden unlautere Handelspraktiken im Juni 2021 mit dem Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (AgrarOLkG) verboten.
Zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, beauftragte das BMEL nun eine Befragung der Beteiligten. Das Ministerium wollte wissen, ob sich die Verbote für unlautere Handelspraktiken auf die Vertragsgestaltung in der Wertschöpfungskette positiv ausgewirkt haben. Die Bewertungen von Lieferanten- und Käuferseite fielen dabei allerdings durchaus unterschiedlich aus. Gut zwei Drittel der Käufer von Agrarprodukten hielten eine Anpassung ihrer Verträge mit der Vorstufe für nicht erforderlich. Diese Einschätzung teilten jedoch lediglich 37 Prozent der Lieferanten. Auch die Gründe für eine notwendige – aber unterbliebene – Anpassung an die neue Gesetzeslage sahen beide Seiten verschieden. 42 Prozent der Lieferanten gaben an, dass die Käufer keine Veränderung vornehmen wollten. 60 Prozent der Käufer nannten hingegen Zeitmangel als Grund für die bislang fehlende Umsetzung in der Praxis.
Grafik: UTP-Umfrage BMEL
Ungeachtet der unterschiedlichen Einschätzungen sorgt das Gesetz für eine positive Tendenz. Laut Rückmeldung der Lieferanten wurden in den vergangenen beiden Jahren deutlich weniger unlautere Praktiken angewendet als in den Vergleichsjahren vor der Einführung:
# verspätete Kaufpreiszahlungen sanken von 50 auf 31 Prozent
# einseitige Änderungen des Vertrages durch den Käufer reduzierten sich 40 auf 32 Prozent
# Zahlungen für die Listung nach Markteinführung gingen von 33 Prozent auf 26 Prozent zurück
# geforderte Kostenübernahmen für Qualitätsverlust nach Lieferung sanken von 25 auf 17 Prozent
Das Gesetz scheint als Abschreckungseffekt eine gewisse Wirkung zu erzielen. Sahen sich bis zum Jahr 2021 lediglich 19 Prozent der Lieferanten keinen unlauteren Methoden ausgesetzt, so waren es den beiden Folgejahren bereits 24 Prozent. „Die gesetzlichen Regelungen müssen unbedingt beibehalten und punktuell ausgebaut werden“, so die Einschätzung von Birgit Buth, Geschäftsführerin des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV). Mit Sorge sieht die DRV-Geschäftsführerin derzeit Versuche des Handels, das Gesetz zu unterlaufen. Hier müsse der Gesetzgeber Kante zeigen, damit die positiven Effekte nicht verpuffen. Wer heimische Produkte in einem umkämpften Markt erhalten möchte, der müsse die Position der landwirtschaftlichen Vermarkter in der Lieferkette stärken.
Grafik: UTP-Umfrage BMEL
Fakten zur Befragung:
Die Verbote unlautere Handelspraktiken schützen Lieferanten mit einem Jahresumsatz von höchstens 350 Millionen Euro. Bei Milch- und Fleischprodukten sowie Obst, Gemüse und Gartenbauprodukten darf der Jahresumsatz nicht mehr als 4 Milliarden Euro betragen.
Von Mitte Januar bis Mitte Februar 2023 waren insgesamt 884 Lieferanten und 239 Käufer an der Befragung beteiligt. Vollständig beantwortet haben die Befragung 379 Lieferanten und 83 Käufer. Die Lieferanten ordneten sich zu 67 Prozent der Stufe „Erzeugung von Rohstoffen“ zu. Die Käufer stammten zu 38 Prozent aus dem Großhandel und zu 34 Prozent aus dem Lebensmitteleinzelhandel.