Klaus Braun, Inhaber der gleichnamigen Unternehmensberatung für Bioläden, zur Preiskalkulation von Bio in den Wertschöpfungsketten.

Die gerechte Verteilung des Ertrages in der Lebensmittel-Lieferkette steht auf europäischer Ebene bereits im Fokus. So erhebt Frankreich die Margen in den einzelnen Stufen, Spanien plant es ebenfalls.  Wo steht Deutschland in dieser Debatte?

In Deutschland ist die Fairteilung des Ertrages meines Wissens bei den politischen Entscheidern noch kein Thema. Die großen Konzerne blocken, weil sie den eigenen Anteil an der Wertschöpfung nicht preisgeben möchten. Sie argumentieren, dass die Verbraucher kaum nachvollziehen können, wie sich die Aufschläge der einzelnen Stufen zusammensetzen. Es müsste dringend ermittelt werden, was Landwirte, Verarbeiter, Logistiker und Händler jeweils brauchen, um ihre Kosten zu decken. Das ist die Baustelle, auf der hierzulande noch gearbeitet werden muss.  Auch im Bio-Fachhandel hat sich in dieser Hinsicht noch kaum etwas getan.

Wie schätzen Sie die Unterschiede ein? Werden Bioprodukte im Bio-Handel mit höheren Margen als im LEH verkauft?

Ich vermute, dass sich die Margen in den 18 Monaten massiv verändert haben. Die Preissteigerungen im klassischen LEH sind extrem hoch ausgefallen. Insbesondere bei Bioprodukten hat sich der LEH kalkulatorisch anders verhalten als zuvor und damit das Preisniveau des Bio-Fachhandels damit teilweise sogar übertroffen. Der inhabergeführte Bio-Fachhandel hat im Gegensatz dazu die gestiegenen  Kosten eher vorsichtig und zurückhaltend auf die Verbraucherpreise umgelegt. Dadurch geraten einige Händler nun in eine finanzielle Schieflage. Bereits in den vergangenen Jahren konnte man beobachten, dass das Biosortiment  im LEH und Discount als Premiumsortiment preislich höher kalkuliert wurde als das konventionelle Angebot. Damit konnten in diesen Vertriebskanälen gute Spannen erzielt werden.

Der klassische LEH profitiert von einer effizienten Logistik und realisiert zudem höhere Spannen im Biosegment. Wie kann sich der Fachhandel in diesem Wettbewerbsumfeld behaupten?

Die zweistufige Logistik im Bio-Fachhandel ist ein Mosaikstück, das Bioprodukte in den Bioläden teurer macht. Eine stärke Kooperation und Effizienzsteigerung im Großhandel wäre von Vorteil. Es ist wirtschaftlich auch nicht sinnvoll, wenn ein Bioladen von drei verschiedenen Großhändlern mit identischem Sortiment beliefert wird. Dieses Problem besteht im Kern seit Jahrzehnten. Nun geht diese Händlergeneration in Rente und hinterlässt den gleichen Zustand wie vor vierzig Jahren. Immer mehr Bio-Großhändler profilieren sich hingegen stärker als regionale Bio-Spezialisten und sichern ihre Effizienz mit der Belieferung von selbstständigen Lebensmittelhändlern im Umkreis.

Was bedeutet dies für die selbstständigen Bio-Einzelhändler?

Alle Verbände haben sich nun `Bio für alle´ auf die Fahnen geschrieben. Diese Strategie funktioniert nicht alleine mit dem Fachhandel. Damit verliert diese Vertriebsschiene im Biomarkt insgesamt an Bedeutung. Insbesondere inhabergeführte Bioläden brauchen daher ein neues Konzept. Allein der Verkauf von Bioprodukten dürfte zukünftig keine Existenzgrundlage mehr sein. Es wird darauf ankommen, mit welchem individuellen Mehrwert sich der Bio-Einzelhändler an seinem Standort gegenüber den lokalen Wettbewerben profilieren kann. Hier liegt für mich die einzige Chance für ein Überleben der inhabergeführten Bioläden.

Welche Möglichkeiten sehen Sie aktuell, um eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung für Bioprodukte vom Landwirt bis zum Kunden zu gestalten?

Eine gerechte Fairteilung der Wertschöpfung wäre wesentlich leichter, wenn mit politischen Druck endlich ehrliche Preise durchgesetzt werden könnten. Das würde den generellen Preisdruck auf die Bioprodukte reduzieren und den Preisabstand zu den konventionellen Produkten massiv verringern.  Allerdings fiele damit die Steigerung der Lebensmittelkosten für konventionelle Lebensmittel so dramatisch aus, dass es für Millionen von Menschen im jetzigen System nicht mehr leistbar wäre.  Wir müssen daher einen Prozess anstoßen, in dem die Lebensmittelpreise die Wahrheit sagen und die Wertschöpfung gerecht verteilt wird. Dafür müssen wir die notwendige gesellschaftliche  Transformation entsprechend  steuern und über die Nutzung von Ressourcen neu nachdenken.