Wie gelingt Vertrauensbildung, wenn der Druck auf Lieferketten steigt? Maren Busch, Universität Kassel, hat in einer qualitativen Studie FairBio Lieferanten und – Verarbeiter befragt, welche Faktoren das Vertrauen fördern. Die Ergebnisse werden auf dem Biofach-Kongress präsentiert.
Anhaltende Krisen rufen vielfältige Risiken hervor und sorgen für Unsicherheit in Lieferketten. Vertrauen stellt daher eine wichtige Ressource für stabile Geschäftsbeziehungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dar. „Vertrauen ist wichtig, um Herausforderungen in Lieferketten gemeinsam zu bewältigen“, sagt Boris Voelkel, FairBio Vorstand und Geschäftsführer Einkauf der Voelkel GmbH. „Wenn die Preise beispielsweise für einen Obstbetrieb nicht auskömmlich sind, investiert er nicht mehr und lebt von der Substanz. Langfristig führt Vertrauen also dazu, dass es überhaupt weitergeht.“
Welche Handelspraktiken den Aufbau und Erhalt von Vertrauen begünstigen, wenn volatile Preisentwicklungen und Kostensteigerungen den Druck auf Lieferketten erhöhen, hat eine aktuelle Studie der Universität Kassel und dem FairBio Verein ermittelt. Für die Studie wurden FairBio Mitglieder und ihre Lieferanten aus den Bereichen Milchproduktion, Obst- und Gemüseanbau sowie Getreideanbau und -vermarktung befragt.
Welche Faktoren stärken das Vertrauen aus Sicht der Lieferanten?
# Gegenseitige Bereitschaft für Zugeständnisse bei Preis- und Mengenabsprachen
# Erfahrungen im Umgang mit Qualitäts- und Mengenschwankungen
# Kurze Entscheidungswege und eine schnelle Zahlungsabwicklung
Mit der aktiven Einbeziehung in die Planung von Liefermengen und -Qualitäten sowie in die Gestaltung von Kontrakten könnten beidseitig Planungsprozesse optimiert und rechtzeitig an volatile Marktbedingungen angepasst werden. Vertrauen bedürfe es genau dann, wenn Schwankungen hinsichtlich der Qualität oder Menge der Ware aufträten oder Finanzierungsengpässe vorlägen. Mit einer Bereitschaft zur Übermengenabnahme, schnellen Zahlungsabwicklung und guten Vermarktungskompetenzen ihrer Abnehmer entstehe Vertrauen, so die Lieferanten.
„Wir hatten mal einen Zug mehr geerntet als kontraktiert war, den unser Kunde dann in ein Zwischenlager gesteckt hat. Uns war dann nicht so wichtig, dass wir damit keinen vollen Preis erzielt haben, weil unser Kunde ja die Zwischenlagerkosten hatte“, beschreibt ein Lieferant wie ein Geben und Nehmen praktisch umsetzbar ist. Auf beiden Seiten betonen die Befragten die Bedeutung des Verantwortungsbewusstseins für die Bedürfnisse der gesamten Kette, um auf den gestiegenen Marktdruck zu reagieren.
„Wir müssen einen Raum schaffen, in dem wir auf die ganze Kette schauen, die besonderen Belastungen ermitteln und dann die Wertschöpfung gerecht verteilen“, erklärt Klaus Engemann, FairBio-Vorstand und Geschäftsführer des Biolandhofes Engemann.
“Bio braucht eine andere Denke”, ergänzt FairBio-Vorstand Boris Voelkel.
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Welche Faktoren stärken das Vertrauen aus Sicht der Verarbeiter?
# Loyalität und Liefertreue
# Offenheit zum Dialog
# Ehrlichkeit und Wertschätzung
Die Verarbeiter erwarten im Gegenzug von ihren Lieferanten Loyalität und die Bemühung um die Aufrechterhaltung einer langfristigen Lieferbeziehung. „Wir brauchen eine Kontinuität in der Dauer, der Qualität und der Kommunikation der Zusammenarbeit“, heißt es auf Verarbeiterseite. Vertrauen entstehe dadurch, wenn bei Unzufriedenheit der Dialog gesucht würde, um gemeinsam faire Lösungen zu finden. Fairness ist zwar ein ideelles Handlungsprinzip der Bio-Bewegung, was jedoch als fairer Umgang und vertrauensförderndes Verhalten in Lieferbeziehungen beurteilt wird, unterliegt der Wahrnehmung und Einschätzung jedes einzelnen Akteurs.
Was bedeutet Fairness in Lieferketten?
# gerechte Verteilung (Preis/ Leistung)
# gerechte Prozesse (Einflussmöglichkeit auf Prozesse und Entscheidungen)
# gerechte Interaktion (respektvoller Umgang, regelmäßiger Austausch)
Für die befragten Unternehmen nimmt die Bereitschaft für Zugeständnisse bei Preisverhandlungen eine besondere Rolle im Vertrauensaufbau ein. „Es ging nie darum, den besten Preis zu erzielen. Wichtig ist, dass es auf beiden Seiten gut passt“, äußert sich ein Abnehmer zur fairen Aufteilung von Lasten und Nutzen. Auch Lieferanten heben die Bedeutung ehrlicher Preise für eine zufriedenstellende Zusammenarbeit hervor. „Es war auf beiden Seiten der Wunsch da, nicht ständig um die Preise zu pokern. Wir versuchen stattdessen, verträgliche Preise für beide Seiten zu finden. Damit der Landwirt gut klarkommt, aber auch der Kunde vernünftig planen kann“, erklärt ein Lieferant.
Die Studienergebnisse zeigen, dass faire Preise jedoch nicht allein für vertrauensvolle Lieferbeziehungen sorgen. “Da ist Wertschätzung drin. Es geht nicht darum, den letzten Cent herauszuholen. Die Beziehungsebene muss auch stimmen”, fasst Gesa Jost, FairBio-Getreidelieferantin vom Iburgshof (Bild oben) zusammen. “An Geschäftsbeziehungen wie an anderen Beziehungen muss man arbeiten und das Gefühl haben, es ist ein Geben und Nehmen. In dem Moment, wo ein Partner das Gefühl hat, er ist nur noch Geber, funktioniert es nicht mehr.
Ein transparenter regelmäßiger Informationsaustausch über Marktveränderungen, individuelle betriebliche Herausforderungen und Lieferbedingungen geht aus der Befragung als meist genannter Aspekt hervor. „Beim Thema fairer Umgang äußerten die Befragten sehr umfänglich ihre Erwartungen an eine regelmäßige Interaktion mit ihren Geschäftspartnern, insbesondere bei aktuellen Marktschwankungen. Dies zeigt, dass ein regelmäßiger Informationsaustausch im Aufbau und Erhalt von Vertrauen eine wichtige Bedeutung erfährt, bislang jedoch in der Debatte um Fairness zu wenig berücksichtigt wird“, konstatiert Studienleiterin Maren Busch (Bild unten).
“Regionale und faire Lieferbeziehungen können Marktschwankungen eher standhalten – vorausgesetzt, die Kommunikation stimmt. Für Vertrauen braucht es Kommunikation, um das gegenseitige Verständnis zu sichern”, bestätigen die FairBio Verarbeiter. Vertragliche Zusätze seien zwar wichtig, aber entscheidend sei die Kommunikation. Das Fazit der Wissenschaftlerin: “Gelingt den Unternehmen ein nachhaltiger Aufbau einer Fairness- und Vertrauenskultur in ihren Lieferbeziehungen, führt dies zu Risiko- und Kollaborationsbereitschaft und kann somit die Resilienz in Lieferketten steigern.”