Es soll kein Bürokratiemonster werden. Die EU fordert von den Unternehmen jedoch Rechenschaft. Sie müssen ihren Weg zur Klimaneutralität künftig mit Fakten dokumentieren.

In den nächsten Monaten kommen neue EU-Regelungen auf die Branche zu. Die Unternehmen müssen sich auf eine geänderte Pflicht zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit einstellen. „Die Land- und Ernährungswirtschaft ist besonders relevant für die Transformation, deshalb erhalten sie zusätzlich zu den allgemeinen Standards eigene Sektorstandards“, erklärt Dr. Jenny Lay-Kumar, Geschäftsführerin der Regionalwert-Research gGmbH in Leipzig.

Bereits ab nächsten Jahr sind große Unternehmen nun verpflichtet, einen Report für das Jahr  2023 erstellen. Indirekt werden aber auch kleine mittelständische Unternehmen in der Ernährungsbranche die neuen Vorgaben bald zu spüren bekommen. „Banken und Versicherungen fragen auch in dieser Gruppe entsprechende Daten an. Zudem kommen Handelsunternehmen und große Verarbeiter auf ihre Vorlieferanten zu, um die Daten zur Nachhaltigkeit zu ermitteln“, erklärt Lay-Kumar. Die Leipziger Expertin ist Mitglied der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) und arbeitet dort in der „Project Taskforce“ an den neuen Vorgaben der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für den Bereich Land- und Ernährungswirtschaft.

Dr. Jenny Lay-Kumar, Geschäftsführerin Regionalwert-Research

(Foto:RW-Research)

Auch den KMU-Unternehmen bleibt nicht mehr viel Zeit. Ein großer Teil des Mittelstandes muss im Jahr 2027 einen Report für 2026 liefern. „Dafür sollten die Unternehmen spätestens im Jahr 2024 ein Berichtssystem installieren, damit sie in 2025 einen Probelauf machen können“, rät Lay-Kumar. In die Kategorie KMU-Unternehmen fallen derzeit Betriebe mit bis zu 250 Mitarbeitern, über 40 Millionen Umsatz oder mehr als 20 Millionen Bilanzsumme.

Die Grenzen der Unternehmensgrößen und auch die geforderte Datenbasis werden allerdings noch diskutiert. „Wir befinden uns derzeit noch in einer unübersichtlichen Phase, die manche als Wild-West bezeichnen. Es gibt aktuell noch keine Standards. Jeder vernünftig strukturierte Nachhaltigkeitsbericht mit glaubwürden Daten wird am Anfang wahrscheinlich akzeptiert werden“, erklärt Lay-Kumar. Sie setzt sich dafür ein, dass zentrale staatliche und privatwirtschaftliche Akteure in die Entwicklung standardisierter Vorgaben eingebunden sind.

„Nachhaltigkeit ist ein Erfolgsfaktor und muss genauso ernst genommen werden, wie finanzielle Erfolgsfaktoren“, argumentiert die Leipziger Wissenschaftlerin. Die Branche müsse sich strategisch in den Bereichen Umwelt, Soziales, Ökologie und Governance mit dem Thema auseinandersetzen, die vorliegende Datenbasis überprüfen und bestehende Lücken füllen.

Die Regionalwert-Gruppe arbeitet bereits seit einigen Jahren daran, betriebliche Leistungen für Nachhaltigkeit zu bewerten und in Euro und Cent zu berechnen. Im Bereich Landwirtschaft haben bereits mehr als 500 Betriebe die Regionalwert-Leistungsrechnung in der Praxis umgesetzt. In der nächsten Stufe wird das Rechenmodell jetzt wissenschaftlich für Verarbeiter und Händler weiterentwickelt. Dort werden die betrieblichen Kennzahlen analysiert. Im Verlauf von einigen Monaten arbeiten die Leipziger Wissenschaftlerinnen dazu dann die entsprechende Leistungsrechnung aus. Aktuell bietet Regionalwert-Research dazu einen Workshop für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern an. Es gibt noch freie Plätze.

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