Faire Handelsbeziehungen zählen zu den Grundwerten der Biobewegung. FairBio diskutiert mit engagierten Praktikern, wie die Branche diesem Anspruch langfristig treu bleiben kann.
FairBio: FairBio: Was bedeuten faire Handelsbeziehungen zu heimischen Biolandwirten konkret?
Boris Voelkel: Bei guten Ernten fallen die Preise oft ins Bodenlose, da müssen die Abnehmer auf dem Teppich bleiben. Bei knappen Ernten explodieren die Preise nach oben, dann gilt dies für die Anbieter. Im Prinzip geht es darum, die Extreme abzufedern. Schließlich hat ja keiner etwas davon, wenn er den langjährigen Marktpartner aus dem Markt katapultiert.
FairBio: Zu welchen Bedingungen wird Bio in Deutschland produziert?
Klaus Engemann: In der Biolandwirtschaft spielen die Löhne eine überproportionale Rolle. Auf unserem Betrieb stellt die Unkrautbekämpfung den größten Kostenblock dar, hier fallen beispielsweise bei Möhren rund 200 Stunden pro Hektar an. In den vergangenen drei Jahren ist der Stundenlohn für unsere Erntehelfer von 7,50 auf 9,10 Euro gestiegen. Daraus ergab sich eine Kostensteigerung von 350 Euro pro Hektar, die über das Endprodukt generiert werden muss. Ein weiterer Kostenfaktor sind die ansteigenden Pachtpreise in Deutschland. In unserer Region liegt der durchschnittliche jährliche Pachtpreis bei 800 Euro pro Hektar, für neue Pachtflächen müssen wir rund 1000 Euro kalkulieren. Im Vergleich hierzu haben andere europäische Regionen deutlich niedrigere Kosten. So zahlt ein Landwirt in der Slowakei rund 180 Euro Pacht pro Hektar, auch die Mindestlöhne sind dort deutlich niedriger. Dafür sind die heimischen Landwirte näher am Verbraucher und müssen die Rohware nicht so weit transportieren.
FairBio: In der letzten Beerensaison hatten die heimischen Bio-Landwirte mit extrem preisgünstiger Konkurrenz aus Osteuropa zu kämpfen. Preisunterschiede von bis zu 100 Prozent setzen die Erzeuger unter Druck. Wie erklären sich solch extreme Preisunterschiede?
Klaus Engemann: Eine Ursache für die heftigen Preisunterschiede ist die gesteigerte Nachfrage nach deutscher Herkunft durch den Lebensmittelhandel und Discounter. Die Verknappung der deutschen Ware führte dazu, dass die europäische Ware um jeden Preis verkauft wurde. Mit diesen niedrigen Preisen kommen dann langfristig aber auch osteuropäische Betriebe nicht zurecht.
Peter Rolker: In diesem Jahr ist im Markt ein großer Preisdruck durch ein Überangebot aus Osteuropa spürbar gewesen. Hier wurden Preise aufgerufen, zu denen wir einpacken können. Wir müssen daher einen anderen Weg finden, um die Rentabilität für deutschen Bioerzeuger zu sichern. Unsere Bioprodukte sind aufgeladen mit zahlreichen Zusatzwerten wie Regionalität, sozialen Standards, Umweltschutz und Engagement vor Ort. Der Konsument kauft mit dem heimischen Apfelsaft nicht allein den Bioapfel, sondern auch alle anderen Werte und trägt damit zum Erhalt der landwirtschaftlichen Strukturen in Deutschland bei.
FairBio: Welche Rolle spielt der Naturkosthandel? Nutzt er die heimische Herkunft als Profilierungspotenzial?
Stephan Brandmeier-Fanger: Die Naturkostbranche muss sich in dem veränderten Markt noch aktiver aufstellen. Wenn wir den Markt gestalten wollen, müssen wir einfallsreicher werden und vernetzter denken. Dabei sollten die Händler ihren Standort stärker als eigene Marke verkaufen. Wenn wir dem Verbraucher das Besondere an bestimmten Qualitäten näher bringen wollen, brauchen wir engagierte Partner im direkten Verkauf, die das Ganze zum Kunden transportieren. Der Bioladen muss sich als Verkaufsstätte insbesondere gegenüber dem LEH profilieren.
Boris Voelkel: Die heimische Herkunft hat durchaus ihren Stellenwert im Naturkostfachhandel, wird aber finanziell nicht unbedingt honoriert. Mit langfristigen Lieferbeziehungen zu heimischen Landwirten könnte sich der Fachhandel durchaus den Erhalt der gesunden Strukturen werbewirksam auf seine Fahnen schreiben.
FairBio: Ist der Konsument bereit, für heimische Produkte einen Preisaufschlag zu zahlen?
Stephan Brandmeier-Fanger: Der Kunde akzeptiert einen Mehrpreis für regionale handwerkliche Produkte, wenn wir ihn entsprechend informieren. Wenn die Hintergrundgeschichte zum Produkt stimmt, funktioniert das Konzept. So wird die Milch von De Oekomelkburen hier im Norden beispielsweise für 2,29 Euro pro Liter verkauft und wir können die Nachfrage kaum decken. Je konkreter die Region des Herstellers angegeben wird, umso höher ist der Abverkauf.
Peter Rolker: Der Verbraucher würde aus meiner Sicht für den Erhalt der heimischen Produktion durchaus einen höheren Preis zahlen. Bislang hat er aber noch nicht den Einblick in die Zusammenhänge.
FairBio: Mit welchen Maßnahmen könnte die Kommunikation zu den Verbrauchern verbessert werden?
Stephan Brandmeier-Fanger: Wir müssen beim Konsumenten eine stärkere Sensibilität dafür entwickeln, wie weit Lebensmittel durch die Gegend fahren. Dafür bietet sich beispielsweise die Berechnung von Foodmiles an.
Klaus Engemann: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Regionalwert eines Unternehmens zu ermitteln: Was bringt das Unternehmen der Region an Wertschöpfung? Der FairBio Verein hat in einem Pilotprojekt dafür bereits einen Grundstein gelegt. Gemeinsam mit drei anderen Mitgliedsunternehmen hat unser Betrieb seine regionale Wirtschaftskraft berechnen lassen. Es wäre gut, wenn der Fachhandel seine Händlerkompetenz wahrnimmt und sich hinter das Konzept „Faires Bio von hier“ stellt.
Boris Voelkel: Bio war ein Impuls für eine Bewegung, die immer weiter geht. Wir müssen wieder Pionierhaltung einnehmen, uns positiv abgrenzen und neu legitimieren. Die Botschaft dabei ist klar: gesunde Lebensmittel aus gesunden Strukturen.
Klaus Engemann: Dafür brauchen wir eine stabile Verbindung zwischen Erzeuger, Erfasser, Verarbeiter und Handel. In dieser Struktur müssen wir die Wertschöpfung vernünftig verteilen. Nicht nach dem Kriterium, wer hat die Macht, sondern in einem gemeinsamen Weg nach vorne.
Obstvermarkter Peter Rolker, Grell-Vertriebsleiter Stephan Brandmeier-Fanger, Fruchtsaft-Hersteller Boris Voelkel, Voelkel-Azubi Lennard und Bioland-Erzeuger Klaus Engemann diskutieren mit FairBio die zukünftigen Optionen für Fairness in der Wertschöpfungskette. (von links)
Foto: Voelkel