Regionale Handwerksstrukturen sind für Anke Kähler vom Verbund Die Freien Bäcker e.V. die entscheidende Basis für eine autarke Versorgung mit Lebensmitteln. Im FairBio-Interview schildert sie die dramatische Lage im deutschen Bäckerhandwerk.

Wie ist die aktuelle Situation im Bäckerhandwerk?

Derzeit geben leider auch wirtschaftlich gesunde Betriebe auf, weil sie keine Mitarbeiter und keinen Nachfolger finden – das ist die Realität im Handwerk. Wir dürfen diese Unternehmen, die in regionalen Wertschöpfungsketten gut verankert sind, nicht verlieren. Sie sind ein ganz zentrales Element für eine autarke Ernährungssicherheit. Der Ukrainekrieg hat uns einmal mehr gezeigt, wie anfällig globale Strukturen sind. Der Erhalt und Aufbau regionaler Strukturen ist keine Spielwiese, sondern eine Notwendigkeit um in Krisenzeiten, auf die wir noch zusteuern, weiterhin Boden unter den Füßen zu haben.

Viele Bundesländer haben neue Förderprogramme aufgelegt, um regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und zu sichern. Ist dies nicht ein Schritt in die richtige Richtung?

Die ganzen Förderprogramme sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Fakt ist, dass diese Familienunternehmen, ob Mühlen oder Bäckereien sehr personalintensiv wirtschaften. Die Personalkosten im Bäckerhandwerk liegen oft bei 50 Prozent, das ist eigentlich viel zu hoch. Der Anteil an Lohnnebenkosten ist in der Vergangenheit ständig gestiegen. Betriebe mit hohen Personalkosten zahlen derzeit die Zeche. Kapital wurde entlastet, der Faktor Arbeit wurde belastet. Hier liegt der Knackpunkt. Wir brauchen in Deutschland dringend eine öko-soziale Steuerreform, um uns zukunftstauglich aufzustellen. Der Mittelstand braucht zudem die immer wieder angekündigte, aber nie realisierte bürokratische Entlastung. Wenn wir die Bürokratie für die Handwerksbetriebe nicht zügig abbauen, finden wir einfach keine jungen Menschen mehr, die sich diese Herausforderungen antun.

Wer steht hinter der Initiative Freie Bäcker?

Wir sind ein Verein von Bäcker und Bäckerinnen, die tatsächlich noch handwerklich Backen. In der Mehrzahl verarbeiten unsere Mitglieder ökologisch erzeugte Rohstoffe. Freie Bäcker*innen verwenden keine industriellen Inputs wie Backvormischungen oder vorgefertigte Teiglinge. Ebenso keine isolierten Zusatzstoffe, wie etwa technische Enzyme, die nur eingesetzt werden um Herstellungsprozesse zu vereinfachen, zeitlich zu verkürzen und die Gebäckeigenschaften zu verändern. Im Gegensatz zur Industrie können wir mit viel Know-how die Herstellungsverfahren auch an nicht optimale Verarbeitungsqualitäten von regional erzeugtem Getreide, verursacht wie in diesem Jahr durch Trocken- und Hitzestress, anpassen. Das macht am Ende einen großen Unterschied für die gesamte Wertschöpfungskette. Daraus werden dann sicherlich keine großen aufgeblasenen Brötchen, die sich tiefkühlt quer durch Deutschland karren lassen – aber braucht man die? Ein wirklich qualifizierter Bäcker kann aus regionalen Rohstoffen ohne Zusatzstoffe fast immer gutes Brot backen – und faire Preise dafür bezahlen. Viele unserer Betriebe vereinbaren langfristig mit ihren Bauern und Bäuerinnen, welche Getreidesorten sie zu welchen Preisen für sie anbauen. Nur so kann eine bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft langfristig in den Regionen erhalten werden.

 

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