Die hohen Margen klassischer Kalkulationsmodelle des Handels bremsen eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit aus. So lautet das Fazit einer Kearney-Studie zu den Barrieren für den Ausbau eines nachhaltigeren Konsums. Die Lösung wäre ein Umdenken in der Preiskalkulation.

„Obwohl eine umweltfreundliche Produktion in der Regel mehr kostet, könnte der Preis, der an die Verbraucher weitergegeben wird, viel niedriger sein und dabei in absoluten Zahlen den gleichen Gewinn für jeden Akteur in der Wertschöpfungskette erzielen“, heißt es in der englischsprachigen Studie der internationalen Unternehmensberatung Kearney.  Zu hohe Preise für „grüne“ Produkte entstehen in erster Linie durch hohe Aufschläge in den Handelsstufen, die nach klassischen Kalkulationsmodellen arbeiten, stellt die Studie fest.

Die Ausgangslage für mehr nachhaltigen Konsum sei durchaus positiv, so die Studie: „Viele Verbraucher sind sich der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Bedeutung des Kaufs nachhaltiger Produkte bewusst und sind sogar bereit, mehr dafür zu bezahlen“. Laut Daten von Nielsen, Ökoinstitut und anderen akzeptierten 2020 etwa 70 Prozent der Konsumenten einen Mehrpreis von 10 Prozent, 15 Prozent Aufschläge von bis zu 30 Prozent und weitere 15 Prozent noch höhere Preise für ökologisch verantwortungsvolle, nachhaltige Produkte. Allerdings müsse der Mehrwert deutlich sein: Höhere Qualität, biologische Inhaltsstoffe, nachhaltige Verpackungen und auch soziale Verantwortung sind gefragt.

Innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette verbrauchen Erzeugung und Verarbeitung die meisten Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Arbeit). Gleichzeitig haben „diese ersten Schritte der Wertschöpfungskette den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit“, machten jedoch den geringsten Teil des Produktpreises aus, so die Studie.

Geringe Nachhaltigkeitseffekte-hohe Preisaufschläge im Handel

Die Handelsebenen haben dagegen vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die ökologische und soziale Nachhaltigkeit, seien aber für hohe Preisaufschläge verantwortlich, weil die Gewinnmargen nach althergebrachten Kalkulationsregeln berechnet würden. Europaweit entstünden so „Aufschläge von 70 Prozent und mehr bei Bio-Lebensmitteln, die hauptsächlich das Ergebnis von Prämien- oder Multiplikationsaufschlägen für die Gewinnspannen sind“, analysiert die Studie. Damit lägen Preise weit über dem, was die Verbraucher bereit sind zu bezahlen.

Die tatsächlichen Kosten für eine nachhaltig-ökologische Produktion liegen laut Studie jedoch in der Regel nur in der Größenordnung von 10 bis 20 Prozent der konventionellen Herstellung. Zu den Mehrkosten zählt die Studie ökologische Betriebsmittel, teurere Arbeitskräfte, geringere Ernteerträge, mehr Fläche für Tiere und längere Aufzuchtzeiten sowie Zertifizierungen (Bio, Fair Trade etc). Weitere Aufschläge entstünden durch Markeneigentümer (10 – 25%) Marketing, Zertifizierung und Mengenaufschläge bei den Groß- und Einzelhändlern (60 – 65%).

„Die Preisabstände von konventionellen Lebensmittel  zu Biolebensmittel haben sich zwischenzeitlich etwas verringert, weil die konventionellen Preise letztes Jahr stärker gestiegen sind als die Preise für Biolebensmittel. Die Aussagen der Studie gelten jedoch nach wie vor. Wir sind noch immer weit weg vom reinen Durchreichen der höheren Erzeugerpreise bei bio und fair“, konstatiert der ehemalige Studienleiter Dr. Carsten Gerhardt, Nachhaltigkeitsberater sowie Vorstandsvorsitzender der Circular Valley Stiftung in Wuppertal.

Die Studie zeigt auf, wie Unternehmen die Aufschläge für nachhaltige Produkte senken können, um eine Spanne zu erreichen, die mehr Verbraucher zu zahlen bereit sind. Der ideale Weg, die Aufschläge auf 10 Prozent zu begrenzen, bestehe darin, die Preisgestaltung am Ende der Wertschöpfungskette anzupassen. Die Denkweise und Buchhaltungslogik der Unternehmen müsse von einer relativen Marge auf eine feste Marge umgestellt, so der Vorschlag der Studie.

Anstatt prozentuale Aufschläge über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu multiplizieren, würden feste Margen eine nachhaltige Produktion zu fairen Festkosten ermöglichen, so die Studie. Das Ergebnis: Transparente, verbraucherfreundliche Preise, die mehr Konsumenten zum Kauf nachhaltig hergestellter Produkte bewegen.

Es gibt Erfolgsbeispiele wie durch die Umstellung von einer relativen Marge auf eine feste Marge der Absatz angekurbelt und faire Erzeugerpreise relaisiert werden können. Das Modell Erzeuger-fair-Milch der Upländer Bauernmolkerei entstand bereits 2008 und ist die Grundlage des FairBio Vereins. In Zusammenarbeit mit der Upländer Bauernmolkerei ging dann vor etwa drei Jahren  die Verbrauchermarke „Du bist hier der Chef“ im LEH an den Start., die mit Beteilung der Verbraucher auf eine faire und transparente Kalkulation setzt.

„Alternativ könnten staatliche Anreize wie Steuervergünstigungen dazu beitragen, nachhaltige Produkte zu fördern und ihre Produktion auszuweiten. Auch die Berücksichtigung der externen Kosten für nicht-nachhaltige Produktionsmethoden könnte die Lücke zu wettbewerbsfähigen Preis für nachhaltig produzierte Produkte schließen“, heißt es in der Studie. Um Nachhaltigkeit und ökologische Transformation voranzutreiben oder wie die Studie es ausdrückt, „zu einem grüneren, gerechteren Planeten“ zu kommen, sei ein gemeinsamer Ansatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich sowie die Bereitschaft aller Akteure der Wertschöpfungskette, für eine nachhaltigere Zukunft zusammenzuarbeiten.